Mühlengeschichten

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Ein paar Mühlengeschichten

Die älteste Mühle in unserem Tal (Dount- oder Gürtlermühle) hatte einen Mahlgang und eine Brettsäge, war dem Gut Siebendörfel zugehörig und eine sog. Freimühle, denn sie hatte der Herrschaft jährlich nur 15 Schock Zins zu entrichten, dafür waren ihr die Einwohner von Maffersdorf A.S. und Kohlstatt als Mahlgäste zugeteilt. Gegen Ende des 17.Jahrhunderts war Hans Georg Augsten Müller. Er lieβ sich 1677 durch eine Amtsverordnung im Schöppenbuche "alle von Ambtswegen benannten Kohlstätter, so jetzt daselbst wohnhaft, auch künftig dahin ziehen oder daselbst bauen möchten, sämmentlich zu seiner erblichen Mühlen ihme Hans Augsten und seinen Nachkommen" verschreiben. Sein Sohn lieβ das 1701 bestätigen, und die Strafe bei Zuwiderhandlung wurde auf 2 Schock Kreuzer erhöht. Als die Bevölkerung wuchs und Maffersdorf A.S. eine zweite Mühle gebraucht hätte, brachte er den Aicher Amtshauptmann auf seine Seite, indem er sich bereiterklärte, 6 Schock Mühlzins mehr zu zahlen; also das, was eine zweite Mühle eingebracht hätte.

Die gegenüberliegende Mühle in Maffersdorf R.S. war eine Zinsmühle; d.h. von der Herrschaft verpachtet. Hier möchte ich ein Beispiel geben, woraus der sog. "Pachtschilling" bestand. Der Müller hatte der Herrschaft zu liefern:

14 Strich guten Weizen,
42 Strich reines Korn,
60 Strich Metzgetreide,
2 Strich Staubmehl,
85 Gulden Schweinmastgeld,
30  Stück junge Hühner,
6 Schock Eier

Auβerdem hatte der Müller einen herrschaftlichen Jagdhund im Futter zu halten und zur Jagdzeit auch für den übrigen Troβ der Jagdhunde das nötige Futter an Brot und Mehl zu verabreichen.

Dagegen lieferte die Herrschaft das Bauholz zum Wehr, Schleuβen und Wassergerinne, jährlich eine Schirrbuche und eine Buchsbirke, das Reisig zum Bedecken der Radstube für den Winter, die Zufuhr der Mühlsteine und Wellbäume mittels Robot; und die Maffersdorfer und Proschwitzer Mahlgäste, die zu dieser Mühle "eingewidmet" waren, hatten den Mühlgraben jährlich zu säubern. Dazu war der Müller berechtigt, Brot und Semmeln zu backen und Mehl und Grieslerwaren zu verkaufen. Bei der Berechnung kommt Jäger dabei auf eine jährliche Zinsleistung dieser Mühle in Geldwert von 391 Gulden bei einer Gegenleistung der Herrschaft von 20 Gulden. Somit zahlte diese Mühle 21mal so viel, als die jenseitige bei etwa gleicher Gröβe.

Die Proschwitzer Mühle war eigentlich ein Werk des Scholtes Gottfried Lammel. Er hatte sie sich für den Müller Kaulfersch vom Grafen Gallas erbeten. Am 8.Oktober 1754 wurde die Mühle auf Veranlassung des Scholtes durch den Röchlitzer Kaplan P. Anton Schreiber im Beisein vieler Honoratioren aus Proschwitz und Reichenberg und einer Menge "einheimbischen und frembden Volkes unter Trumpeten- und Paukenschall" eingeweiht. Lammel hat dann den " Herrn Pater Capellan nebst den Herren Wirtschafts=Officieren und Beambten mit einem ehrbaren und sittlichem Mittagsmahl (darbei sich wieder Trumpeten und Pauken hören lassen) bewirthet". So eine fröhliche Kirmes wie bei dieser Gelegenheit war in Proschwitz seit Menschengedenken nicht begangen worden, heiβt es in der Chronik. Und Jäger schreibt später: "Man nahm aber mit dieser Werksanlage (gemeint ist Mühle und Mühlbach) unbewuβt eine der stärksten Wasserkräfte an der oberen Neiβe in Besitz, die zwar noch lange teilweise brach gelegen ist, nun aber der aufstrebenden Industrie trefflich zustatten kommt. - Wie zwei Repräsentanten der alten und neuen Zeit stehen sie jetzund beisammen, das fast in der ursprünglichen Gestalt erhaltene alte Mühlgebäude und die daneben angelegte hohe Fabrik. "Ich nehme an, daβ es sich dabei um die damals noch 5stöckige Baumwollspinnfabrik Josef Herzigs handelt; später im Volksmund die "Sechssteck'sche".

Um die Mühle in Neuwald (bei der späteren Wagner-Fabrik) bewarb sich, wie gesagt Ferdinand Scheler. Er machte sich ans Werk, und da er nur wenig Vermögen hatte, tat er das meiste mit eigener Hände Fleiβ. Als der Erbauer zum erstenmal die Räder sich drehen sah und das helle Klappern der Mühle vernahm, da war die Freude des guten Mannes so groβ, als hätt er ein Königreich gewonnen. Er war ein schlichter und rechter, gottesfürchtiger und ehrbarer Mann. Er war Geschworener unter dem Richter Hörbe, und als dieser einst in einer Streitsache einen Spruch fällte, den der Schöppe als ungerecht erkannte, erhob er sich am Tische und rief entschieden: "Wenn ihr also richten wollet, so mag ich an diesem Tische nicht mehr Beisitzer sein!" Erst Einlenken des Richters und Zureden der Anwesenden konnten ihn besänftigen. Den benachbarten Feldgarten besaβ sein Schwager Josef Jäger, seines Geschäfts ein Färber. In der Teuerung und Hungersnot von 1772, mit der ein bösartiges, pestartiges Faulfieber einherging und ganze Familien auslöschte, starben dort die Eltern von fünf unmündigen Kindern weg. Der selbst kinderlose Onkel Scheler nahm sie alle in sein Haus auf und erzog sie wie seine eigenen Kinder. Auch ihr väterliches Besitztum lieβ er nicht in fremde Hände kommen und kaufte es 1773 "für sich und für die Jägerschen Kinder." Den fähigsten Knaben davon setzte er zum Erben seiner Mühle ein. Dieser war der Vater Anton Jägers, den er in "Meiner Bildungsgeschichte" folgendermaβen beschreibt: "Mein Vater besaβ in der That mehr Kenntnisse als andere Dorfmänner seiner Zeit. Er war ziemlich belesen, hatte viel erlebt und viel erfahren." Und seinen Bericht über die Neuwalder Mühle schlieβt er mit folgenden Worten: "Diese Kinder haben das Andenken des edlen Mannes (gemeint Scheler) in steter Dankbarkeit gesegnet und ihr Leben lang mit rührender Verehrung von ihrem Wohltäter gesprochen."

 

Copyright © by Inge Schwarz 1994 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND