Die Leinweberei

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"Was der Acker nicht trägt, muβ der Buckel tragen."

A. Jäger im 10.Kapitel

Die Leinenweberei

Unser heimatlicher Gau ist kein gelobtes Land, in welchem die Mutter Natur in verschwenderischer Fülle ihre Gaben spendet, sagt Jäger als Einleitung. Das Klima war rauh, der Boden uneben, die Humusschicht dünn, überall kam der Granitgrund zum Vorschein. Selbst die wenigen Bewohner der ersten Zeit waren nicht im Stande, den rauhen, steinigen Bergabhängen hinreichende Nahrung abzugewinnen. Sie muβten durch gewerbliche Tätigkeiten die Mittel zu gewinnen suchen, mit denen sie im Flachlande Lebensmittel zukaufen konnten.

Man baute Flachs an, spann denselben und wob aus dem Garne Leinwand. Fast in jedem Hause hatte man einen oder mehrere Handwebstühle. Die hiesigen Weber hausierten als "Garnmänner" auch im flachen Lande das Garn zusammen, welches von den dortigen Bauernfamilien in den langen Winterabenden gesponnen wurde. Die ärmeren Weber wirkten daraus für die Landleute um Lohn "Hausleinwand". Ware wurde auch getauscht gegen Obst, Mohn, Hülsenfrüchte usw. Jeder Weber hatte schon seinen bestimmten Bezirk im "Lande" oder im "Böhmischen". Einzelne brachten es im Spinnen und Weben zu besonderer Kunstfertigkeit. Dazu wieder eine kleine Geschichte aus der Chronik:

Es ist eine beinahe in Vergessenheit versunkene Tatsache, daβ die erste Kunstweberei in Berlin durch einen Maffersdorfer Weber begründet wurde. Das hat sich so zugetragen: Vor etwa 100 Jahren (also etwa 1750! Anm. I. Schwarz) lebte hier ein Weber, welcher irgendwo in der Fremde die Damastweberei erlernt hatte. Nun hörte er vom preuβischen Könige Friedrich II. sprechen, wie derselbe geschickte Gewerbsleute schätze und lohne. Da ging unser Weber ans Werk und fertigte ein kunstreiches Tafeltuch, auf welchem in gezogener Arbeit zu sehen war ringsum das ganze Tafelservice, Teller, Löffel, Messer, Gabeln und alles Zubehör. In der Mitte aber sah man Josua und Khaleb, wie sie an einer Stange die groβe Weintraube aus dem gelobten Land ins Lager der Israeliten tragen. Nachdem nun dieses Kunstwerk vollendet war, machte sich der Meister samt seinem Weibe zufuβ auf den Weg nach Potsdam, allwo der König residierte, diesem das Tuch zum Geschenk zu machen. Unser Weber hatte sich nicht verrechnet; der König nahm ihn huldvoll auf, belohnte ihn reichlich und bewog ihn, sich in Berlin niederzulassen und eine Damastweberei zu errichten. Der strebsame Mann hatte damit sein Glück gemacht. Er ist nicht mehr nach Maffersdorf zurückgekommen.

Jäger hat diese Geschichte in seiner Kinderzeit oft gehört und bedauerte sehr, daβ der Name seinem Gedächtnis entfallen ist. Damals wuβte er noch nicht, daβ er ihn einmal für die Chronik brauchen würde.

Wenn auch bei uns die Leinweberei keine so reichen Leute gemacht hat wie die Fugger in Augsburg, so hat sie doch Hunderten von Familien Wohlstand und Auskommen beschieden bis - 1. das Linnen von den spottwohlfeilen Baumwollwaren verdrängt wurde und 2. die Maschinen ihren Einzug hielten.

Die Weberei war nun zum Hungergewerbe geworden.

Der letzte Webstuhl, der auch nach dem 1.Weltkrieg noch bis 1924 in Mafferdorf in Betrieb war, stand in der groβen Bauernstube des Walterbauern.

Sein Sohn Otto Walter erinnert sich noch genau daran, wie der Vater Decken, verschiedene Stoffe und Handtücher in den Wintermonaten darauf gewebt hat.

1914 muβte Richard Walter in den Krieg und kam erst 1919 zurück. Sein Sohn Richard schrieb, daβ der Vater dann wieder Material zum Weben kaufte; es war sehr teuer. Bis die erste Ware fertig war, waren die Textilpreise so gefallen, daβ der fleiβige Mann für seine Arbeit gar nichts mehr hatte.

Es gibt viele Dinge, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann.

Richard Walter 
(1874 - 1956)

Besuch der Webschule in Reichenberg

Bauer in Maffersdorf l.N. 

und
letzter Handweber in Maffersdorf

gestorben in Ebersbach bei Görlitz

 

 

Copyright © by Inge Schwarz 1994 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND