Ein
Blick über den Kirchturm hinaus
Die
Aveglocken in Proschwitz und Neuwald.
Zunächst aus
der Jäger-Chronik:
Da die Klänge
der Kirchenglocken nicht zu jeder Zeit die Länge des Tales
und alle Seitengründe zu durchhallen vermögen, so hat man in
den entfernteren Teilen des Kirchensprengels sogenannte
Aveglöcklein errichtet.
In Proschwitz
vermachte zu Ende des vorigen Jahrhunderts der Bauer Melchior
Hütter Nr. 59 in seinem Testamente 40 Gulden zur Errichtung
eines solchen Glöckleins. Der Platz neben diesem Hause,
welches auf einem gegen Nordwest steil abfallenden Hügel
steht, war hiezu vortrefflich geeignet, und mit Beihilfe
anderweitiger Guttäter kam 1791 die Errichtung des
Glockengestells zustande. Das Glöcklein ward dem hl. Aloisius
geweiht, dem der Scholtes Lammel in der Kirche einen Altar
errrichtet hatte und der deshalb als der Schutzpatron von
Proschwitz angesehen wird. Das bezeichnete Bauernhaus nennt
man aber seitdem "beim Glöckelbauern".
An einem
Sonnabend des Jahres 1837 warf ein mutwilliger Knabe während
des Abendläutens einen Stein auf die Glocke, so da β
sie zersprang. - Im darauffolgenden Jahr ward sie in Prag
umgegossen und wieder an ihre Stelle gebracht. Sie wiegt 99
Pfund.
In Neuwald
gibt es auf dem Feldgarten Nr. 20 einen ähnlichen, gegen das
Haupttal und einen Seitengrund steil abfallenden Hügel,
welcher nach dem einstmaligen Besitzer jenes Hügels, Tobias
Fiebiger, gemeiniglich der Tobisberg genannt wird.
Den Sohn jenes
Tobias, Franz Fiebiger, treffen wir im Kapitel von der
Industrie als ersten Steinmetz in Neuwald. - Als derselbe
durch dieses sein Geschäft wohlhabend geworden war, drängte
ihn sein frommer Sinn, aus Dankbarkeit für Gottes Segen neben
seinem neu und massiv erbauten Hause eine Marienkapelle mit
einem Glöcklein zu errichten. Der damalige Pfarrer Ludwig,
dem er seinen Plan vortrug, mochte aber auf die Idee nicht
eingehen; er nannte das Winkelandachten, wodurch der
Mutterkirche Abbruch geschehe, - ebenso war dieser Pfarrer
auch gegen das Wallfahren eingenommen. - Da mei βelte
Fiebiger ein steinernes Postament und errichtete im Jahre 1831
darauf ein Kruzifix.
Der Wunsch
nach einem Aveglöcklein in Neuwald war aber deswegen nicht
erloschen, und das Projekt wurde nach Fiebigers Ableben von
Wollhändler Josef Wagner Nr.39 wieder aufgenommen. Der
Tobisberg war jedenfalls die passendste Stelle dafür, und die
daselbst stehende gro βe
Linde hätte sogar das Glockengestell entbehrlich machen
können. Mehrmaliger Besitzwechsel und die Gleichgültigkeit
der neuen Eigentümer verzögerten jedoch die Ausführung. Da
hatte Anton Schwarzbach Nr.7 ein Traumgesicht, welches ihm das
fragliche Glöcklein auf seiner Scheuer erscheinen lieβ.
Er trat hierauf mit Wagner ins Einvernehmen und dieser, der
öfters nach Prag um Wolle fuhr, bestellte daselbst beim
Hofglockengieβer Bellmann eine Glocke und brachte sie
1843 mit nach Hause. Diese dem hl. Nepomuk geweihte Glocke ist
109 1/2 Pfund schwer und kostete 100 Gulden 15 Kreuzer.
So weit der
Schall der Glocke reichen konnte, wurden dafür Beiträge
gesammelt, und dieselbe wurde sofort über dem Scheuerdache
aufgehängt. Die Stelle ist jedoch nicht so zweckentsprechend
wie der Tobisberg, da der Schwarzberg, auf welchem jenes Haus
steht, ganz am Ende des Dorfes liegt. Nachdem die neue Glocke
einige Jahre später dem Anton Schwarzbach zu Grabe geläutet,
folgte ihm sein Sohn Josef im Besitze des Hauses. Dieser
bemerkte mit Mi βvergnügen,
daβ durch die Erschütterung des Läutens der Dachstuhl
seiner Scheuer leide; auch mochte die regelmäβig
wiederkehrende Mühe des Läutens ihm keineswegs angenehm
sein. Darum nahm er die Glocke herab und lieβ sie
längere Zeit auf dem Bodenraume ruhen. Nach einer
überstandenen Krankheit (man sagt hiedurch veranlaβt)
machte er aber Anstalt, mit Hilfe eingesammelter Beiträge
einen Glockenstuhl zu errichten und die Glocke auf demselben
wieder in Aktivität zu setzen.
Als Jäger
seine Chronik abschlo β,
war die kleine Kapelle also noch nicht fertig.
Im ersten
Weltkrieg mu βten
beide Glocken abgeliefert und eingeschmolzen werden.
Von der Proschwitzer Aveglocke ist dann nichts mehr bekannt.
Von dem
Neuwalder Aveglöcklein ist 1925 wieder zu hören. Da wird
eine neue Glocke eingeweiht. Auf ihrem Mantel stehen die
Worte:
ES
WALTE FRIEDE !
Lassen Sie
sich von der Festschrift zum 25. Oktober 1925 zurückführen.
Wie so viele
Kirchenglocken der hiesigen Gegend war auch die Aveglocke in
Maffersdorf-Oberdorf ein Opfer des Weltkrieges geworden, und
seit dieser Zeit stand das Glockenhaus am Scheffelberge
verwaist da.
Die
Anschaffung neuer Glocken in der Maffersdorfer Pfarrkirche
lenkte den Sinn des Gro βindustriellen
Carl Wagner auf das leerstehende Glockenhaus, und nachdem sich
eine Sehnsucht nach dem Avegruβe vom Scheffelberge in
vielen Herzen bereits geäuβert hatte, nahm Herr Carl
Wagner in dieser Sache mit einigen Ortsbewohnern Rücksprache,
was zur Bildung eines Glockenkomitees führte, das eine
Sammlung einleitete, und nachdem ein ziemlicher Betrag
beisammen war, wurde am 14. Juli 1925 bei der Firma Richard
Herold in Komotau die Glocke bestellt, von wo sie nach langem
Warten am 10. Oktober anlangte. Dieselbe ist in der Stimmung
"gis", hat ein Gewicht von 61 Kilogramm, ist auf der
einen Seite mit dem Bildnisse "Geburt Christi"
geschmückt, auf der anderen Seite trägt sie den Spruch:
"Es walte Friede". Einschlieβlich der Fracht
stellt sich der Kostenpreis der Glocke auf 2118,98
tschechische Kronen.
Inzwischen war
das Glockenhaus renoviert worden, wie auch um dasselbe und vom
Fahrwege aus zu demselben Grund im Ausma βe
von 49,90 m² erworben wurde, um einen
gesicherten Zugang zu dem Glockenhause zu haben, welchen
Grundkauf Herr Carl Wagner aus eigenen Mitteln deckte, und so
konnte am 25. Oktober 1925 die Weihe der Glocke vorgenommen
werden.
Die Glocke
wurde geweiht vom Hochw. Herrn Pfarrer Peter Bichler in
Maffersdorf mit Assistenz des Hochw. Herrn Karl Sommer,
Katechet in Maffersdorf, und in Anwesenheit der
Glockenpatinnen, des Gesangsvereines "Frohsinn" in
Proschwitz, des kath. Volksbundes von Maffersdorf und
Proschwitz, vieler geladener Gäste sowie zahlreicher
Beteiligung der hiesigen Bewohnerschaft und des
Glockenkomitees, bestehend aus den Herren:
Gustav Appelt |
Willy Appelt |
Josef Biemann |
Franz Ilchmann |
Franz Löffler |
Josef Maschke |
Josef Otte |
Josef Stefan |
Johann
Tschersofsky |
Ernst Ulbrich |
Karl Wagner |
Anton Weiβ |
Die Teilnehmer
an dieser Festlichkeit versammelten sich am genannten Tage
nachmittags 1/2 2 Uhr im Fabrikshofe der Firma Carl Wagner u.
Co., und gegen 3/4 3 Uhr setzte sich der Festzug unter
Vorantritt der Musikkapelle des Adolf Knappe und des
Katholischen Volksbundes aus Maffersdorf mit seiner Fahne an
der Spitze in Bewegung. Auf dem festlich geschmückten Wagen
waren kleine Mädchen um die Glocke gruppiert.
Beim
Glockenhause angekommen, spielte die Musikkapelle einen
Choral, worauf der Proschwitzer Gesangsverein
"Frohsinn" durch Absingung des Liedes "Das ist
der Tag des Herrn" zur Verschönerung der Feier beitrug.
Komiteemitglied Gustav Appelt begrüβte
hierauf die Erschienenen, und nun hielt Herr Pfarrer Bichler
eine Ansprache, worauf die Weihe erfolgte.
Herr Heinrich
Jäger aus Reichenberg gab nun eine Schilderung, wie er solche
aus den nachgelassenen Aufzeichnungen seines verstorbenen
Vaters, des Dorfchronisten Anton Jäger, entnommen hatte,
über die Errichtung der ersten Aveglocke in Neuwald im Jahre
1843, die Herr Anton Schwarzbach in Nr.7 am Schwarzberge auf
seiner Scheuer hatte anbringen lassen.
Für den
Aufzug der Glocke hatte Herr Wilhelm Klassen alle
Vorbereitungen getroffen, und es war 1/2 4 Uhr nachmittags,
als die neue Glocke das erste Mal ihren Schall ins obere Nei βetal
sandte.
Möge die neue
Glocke von einem gleichen Schicksal, wie das ihrer
Vorgängerin, bewahrt sein und der Spruch "Es walte
Friede" nicht nur ihr Äu βeres
zieren, sondern sich auch durch ihre eherene Zunge in die
Herzen der Bevölkerung ergieβen und ihr Geläute
dem Orte
Maffersdorf,
den 25. Oktober 1925
1944
Radl
- Wie aus einem Aveglöcklein eine Kirche wird.
(nach A.
Jäger)
Um 1710 lebte
in Radl ein frommer, kinderloser Mann, namens Elias Hübner.
Im Jahre 1724 schaffte er ein Aveglöcklein, welches etwa nach
gewöhnlicher Art an einem Holzgestell neben seinem Hause
inmitten des Dorfes aufgehängt wurde, auf daβ
es "eine Stimme sei von oben", die den Dorfbewohnern
zu den drei Tageszeiten den Ruf zum Gebet erteile.
Um diesem
Glöcklein einen würdigen Ort zu verschaffen, entschlo β
sich Hübner bald nachher zur Erbauung einer steinernen
Kapelle, wozu der Reichenauer Pfarrer P. Josef Michalek am
16.7.1725 den Grundstein legte. Ein Jahr später wurde die
Kapelle zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit
eingeweiht. 1730 erhielt die Kapelle Meβlizenz. Elias Hübner
legte eine Stiftung von 120 Gulden an zur Erhaltung der
Kapelle und für zwei Messen jährlich. Eine davon wurde am
Patroziniumstag gehalten. In seinem Testamente vermachte er
auch sein Wohnhaus zum Besten der Kapelle, welche dann von der
Gemeinde 1746 erweitert und erneuert wurde.
Ab 1817 kam
von Reichenau an allen Sonn- und Festtagen der zweite Kaplan,
um den Gottesdienst zu halten. Die Kirchenparamente, also
Altardecken, Me βgewänder,
Kelch und Patene u.s.w. wurden von Wohltätern angeschafft.
1829 geschah nochmals eine Erweiterung des Gotteshauses, wobei
auch der Turm erhöht und mit einer zweiten Glocke versehen
wurde. 1833 erhielt der Turm seine Uhr und eine dritte Glocke,
gespendet von Josef Maschke Nr.165. Um 1860 hatte die Kirche
aber immer noch keinen eigenen Seelsorger, "wegen
Unzulänglichkeit der Mittel", wie Jäger bedauert, da
dann auch ein Pfarrhaus notwendig geworden wäre.
Die
Maffersdorfer Bittprozession nach Kohlstatt
Die
Kohlstätter Kapelle wurde 1799 durch den Goldschmied Anton
Dittrich neben seinem Hause Nr. 23 erbaut. Sie wurde zu Ehren
der "sieben Schmerzen Mariä" eingeweiht, und das
Fest, welches alljährlich am 5. Sonntage nach Ostern gefeiert
wird, versammelte jedesmal zahlreiches Volk auf der Höhe. Von
Maffersdorf zog 30 Jahre lang eine von einem Geistlichen
geführte Prozession hinauf, und der Maffersdorfer Schullehrer
besorgte bei dem Gottesdienste die Musik. Für die alte Mutter
Goldschmiedin war es immer eine gro βe
Ehre, die anwesenden Geistlichen bewirten zu dürfen. Sie hat
es lange tun können, denn sie wurde mehr als 90 Jahre alt.
Von Anton Dittrich und seinem Bruder Josef wurde nämlich
erzählt, daβ sie mit ihren Frauen in der Kapelle eine
Doppel-Goldene-Hochzeit gefeiert haben und diese trotz
anderslautenden Aberglaubens lange überlebt haben. Jäger
schreibt: Diese kleinen Leute haben bei Schwarzbrot,
Kartoffeln und Mehlsuppe ein groβes Alter erreicht. Der
Herr lieβ sie lange leben auf Erden und gab ihnen das groβe
Gut - Zufriedenheit.
Röchlitz
- wohl die älteste Kirche der Gegend
Die
Röchlitzer Kirche - wahrscheinlich von den Bibersteinern
gegründet - war schon 1384 Pfarrkirche. Die erste Kirche war
eine Nikolauskirche, sie stand jenseits der Mei βe
oberhalb der Scholzerei und daneben ein
Kloster der Tempelherren. Beides wurde im Hussitenkriege
zerstört.
Anfang des
17.Jahrhunderts erbauten die von Redern an der Stelle der
heutigen Kirche ein hölzernes Gotteshaus, an dem
protestantische Seelsorger bis 1624 wirkten. 1652 wurde die
katholische Pfarrei wieder errichtet und 1657 eine neue,
steinerne Kirche erbaut. 1680 wurde der hölzerne Glockenturm
durch den steinernen ersetzt, der dann 1692 vollendet war.
Johannes der Täufer und Barbara sind die Patrone der Kirche.
Viele Maffersdorfer sind in dieser Kirche getauft worden, denn
auch als Maffersdorf seine uns bekannte Kirche schon hatte,
blieb sie noch ein halbes Jahrhundert Filialkirche von
Röchlitz. Die Maffersdorfer Kirche hat sogar einmal von einem
Röchlitzer Pfarrer 100 Gulden geerbt. Das war 1707, als
Pfarrer Chrisostomus Kretschmer nach 41 Jahren harter und
mühvoller Arbeit in seinem gro βen
Kirchsprengel ohne Testament verstarb. Das Erbteil der Röchlitzer
Pfarrei, 935 Gulden 40 Kreuzer, wurde zur Erweiterung und
Renovierung der Röchlitzer Kirche verwendet.
Die
Heilig-Geist Kirche zu Reinowitz
Sie war schon
vor dem 30jährigen Krieg Pfarrkirche mit den eingepfarrten
Dörfern Luxdorf, Gränzendorf und Friedrichswald. Kirche und
Dorf wurden 1634 durch die "Bourdewaldischen
Völker" verbrannt. Nach dem Kriege wurde zunächst eine
hölzerne Notkirche gebaut, die bis 1700 bestand. Da wurde sie
abgetragen und um 20 Gulden nach Johannesberg verkauft. Im
selben Jahre wurde durch den Baumeister der Maffersdorfer
Kirche, den Prager Marcus Antonius Canivalle, die neue Kirche
erbaut. Er scheint also beide Aufträge nebeneinander
ausgeführt zu haben. 1708 kam die Gränzendorfer Glocke nach
Reinowitz. Als nach Sturmschäden 1747 Knopf und Kreuz wieder
aufgesetzt wurden, schrieb der Lehrer Johann Franz Möldner
die Denkschrift für den Knopf. Die Kirche war Filialkirche
von Reichenberg und Röchlitz, von 1764 bis 1786 von
Maffersdorf. P. Karl Trenkler, Kaplan in Röchlitz, wurde ihr
erster Pfarrer mit 300 Gulden Jahresgehalt aus dem
Religionsfond. 1787 wurde der Grundstein für das Pfarrhaus
gelegt, zu dessen Erbauung aus dem Vermögen der Maffersdorfer
Kirche 441 Gulden 34 Kreuzer genommen wurden, von jenem der
Reinowitzer Kirche 200 Gulden.
Die
Kreuzkirche in Reichenberg
Auch zu dieser
Kirche besteht eine Verbindung über den Baumeister Canivalle.
Nach der Pest von 1680 lie β
der Graf Franz von Gallas auf dem Pestfriedhofe eine
Begräbniskirche errichten. Baumeister war M. Antonius
Canivalle. 1695 wurde der Grundstein gelegt. Die Einweihung zu
Ehren des hl. Kreuzes geschah am 1. Mai 1698. Eine kunstvoll
aus Holz geschnitzte Statue der schmerzhaften Mutter Jesu kam
als wichtigster Gegenstand der Verehrung in diese Kirche.
Dieses Bildnis hatte Graf Franz von Gallas 1658 aus England
mitgebracht, in der Friedländer Schloβkapelle verwahrt
und nachher bis zur Übertragung in die Reichenberger
Kreuzkirche in der Haindorfer Kirche zur Verehrung
ausgestellt. Es soll 1506 von einem englischen Bildhauer
gearbeitet, bei einem Bildersturme nebst anderen
Heiligenfiguren in die Themse geworfen, von einem frommen
Kaufmanne aus dem Wasser gezogen und lange geheim verehrt
worden sein. In der Reichenberger Kirche erweckte dieses
Bildnis ganz besonders die Andacht der Gläubigen. So
bereitete sich das Begräbniskirchlein allgemach zur
Wallfahrtskirche. Ab 1744 wurde das berühmte Reichenberger
Schmerzensfest gefeiert, welches an Glanz und Pracht weit und
breit seinesgleichen nicht hatte. Eine überaus prunkvolle
Prozession von mehreren 1000 Menschen bewegte sich unter
Anführung der Geistlichkeit mit Beteiligung der Zünfte und
Bruderschaften von der Dekanalkirche zur Kreuzkirche. Von 1752
wird berichtet, daβ 72 Fahnen, 8 Statuen, 11
Paukenschläger, 66 Trompeter, 256 Jungfrauen, 70 bildtragende
Jungfrauen, 20 Jünglinge, 24 Genien, 7 Husarenknaben, 52
Ministranten, 33 Priester und 52 Jüngste aus der
Bürgerschaft mit Ober- und Untergewehr teilnahmen und das
Fest drei Tage dauerte. Der Andrang zu der Kirche war so groβ
geworden, daβ eine Erweiterung notwendig wurde. Dies
geschah
1753, der Baumeister war dieses Mal Johann Josef Kunze. Er
brachte die Kirche nach dem Vorbilde der Haindorfer Kirche
1756 zur Vollendung.
Innerhalb der
Maffersdorfer Pfarrei gab es natürlich nicht nur Katholiken.
In der Heimatskunde Band 2 hei βt
es:
"Dem Religionsbekenntnis nach sind die Bewohner
überwiegend röm. katholisch; nur eine geringe Anzahl bekennt
sich zum evangelischen Glauben." Sie gingen entweder nach
Gablonz oder Reichenberg zur Kirche. Das Verhältnis der
beiden Bekenntnisse zueinander scheint - abgesehen von der
Zeit der Reformation und Gegenreformation - gut gewesen zu
sein. Das ist auch aus dem folgenden (gekürzten) Text der
Jäger-Chronik zu entnehmen:
Die
protestantische Kirche in Gablonz
Das am 13.
Oktober 1781 von Kaiser Josef II. erlassene Toleranzpatent gab
den Nichtkatholiken in den österreichischen Staaten wieder
volles Staatsbürgerrecht, die Freiheit des Gottesdienstes und
die Freiheit der Arbeit. Als nun zu Anfang des 19.
Jahrhunderts Industrie und Gewerbe, in Reichenberg besonders
die Tuchmacherei, einen lebhaften Aufschwung nahmen, wanderten
aus Sachsen und Preu βisch-Schlesien
zahlreiche protestantische Tuchmacher ein. In dieser Zeit
(1808) war aus dem Dorf Gablonz ein Marktflecken geworden, und
der damalige Marktrichter Stracke begriff, daβ die
Verpflanzung eines neuen, in der Blüte begriffenen Gewerbes
für den Aufschwung des Ortes von Vorteil sein müsse; darum
leistete er den fremden Zuzüglern allen Vorschub und lieβ
ihnen die möglichste
Aufmunterung zuteil werden. In der Zeit lebte in Gablonz der
Vikär P. Josef Ultsch, ein Priester von wahrhaft
apostolischem Charakter und unbegrenzter Menschenliebe. Ihm
gefiel der religiöse Sinn der eingewanderten Protestanten,
die zu Abendmahl und Predigten immer wieder über die
sächsische Grenze gingen, also hier eine Herde ohne Hirten
waren. Er wendete ihnen wie seinen katholischen Kirchkindern
seine Sorge zu und empfahl ihnen seinen Jugendfreund, den
Pastor Molnar aus Krischlitz, als Seelenhirten, welcher sofort
bereit war, zeitweilig zur Abhaltung protestantischen
Gottesdienstes nach Gablonz zu kommen. Pater Ultsch bot zu
diesem Zwecke zunächst die katholische Kirche an, als aber
der Pastor, um Ärgernis zu vermeiden, ablehnte, räumte der
Vikär ein Zimmer seines Pfarrhofes. Dort wurde am 29. Juni
1818, dem Feste Peter und Paul, der erste Gottesdienst der
evangelischen Gemeinde in Gablonz abgehalten. "Einige aus
dem Pöbel, welche die Protestanten für verworfene Menschen
hielten, sollen nun vom blinden Glaubenseifer gestachelt, auf
Störung dieses Gottesdienstes gesonnen haben. - Als man
sodann nichts vernahm als christliche Lehren, andächtiges
Gebet und erbaulichen Gesang, löste sich dieser letzte Rest
fanatischen Glaubenshasses in beifällige Befriedigung
auf." (Ein Kommentar Jägers)
Später wurde
der Sohn Pastor Molnars, Johann Molnar, in der evangelischen
Gemeinde in Gablonz fest angestellt. Er wirkte auf den Bau
eines eigenen "Bethauses" hin, wie es damals nur hei βen
durfte. Viele einfluβreiche Mitglieder der Marktgemeinde
unterstützten ihn dabei. Der Gustav-Adolf-Verein spendete
reiche Gaben, in allen Ländern, wo Protestanten wohnen, sogar
in England und Ruβland wurde für diesen Kirchenbau
gesammelt. Zittau spendete 1100 Taler. Der Bau begann 1833. Am
20. Oktober 1838 wurde er eingeweiht. Dieses Haus stand dann
23 Jahre ohne Glockenturm, denn nur so war es damals
gestattet. Was taten die katholische Gemeinde und
Geistlichkeit ? Sie lieβen bei protestantischen
Begräbnissen ihre Glocken läuten. Als das nach dem Konkordat
verboten wurde, war das für die Gablonzer schmerzlich.
Indessen waren andererseits die konfessionellen Schranken so
weit niedergerissen worden, daβ man nun an die Erbauung
eines Glockenturmes für
die evangelische Kirche gehen konnte. 1861 war er fertig und
1864 wurden zwei Glocken eingetragen. In dieser Zeit wurden
auch das Pfarrhaus und die evangelische Schule gebaut. 1862
haben sich die zahlreicher gewordenen Protestanten
Reichenbergs von der Gemeinde Gablonz getrennt und eine eigene
Kirche gebaut. 1864 zählte die evangelische Gemeinde in
Gablonz dann noch 300 Seelen.
Die
protestantische Kirche in Reichenberg
(Ressel,
Heimatskunde Band 1 und 2)
Die
neugebildete "evangelische Gemeinde Augsburger
Bekenntnisses in Reichenberg" erlangte am 18. November
1862 hohenorts die Genehmigung. Zu ihrem ersten Seelsorger
wählte sie den Hilfsprediger Gustav Walter aus Nürtingen bei
Stuttgart. Seinem Nachfolger, Dr. Max Friedrich Geiβler
aus Leipzig, oblag der Bau der Kirche. 1863 überlieβ
Eduard Graf Clam-Gallas der Gemeinde
einen Bauplatz in der Nähe der Pfarrwohnung auf dem
Lindenplatz, und 1864 wurden der Bau von der
Regierungsbehörde genehmigt und der Grundstein gelegt. Die
Kirche wurde in den Jahren 1864 - 1868 nach den Plänen des
Reichenberger Baumeisters Gustav Sachers von diesem und dem
Baumeister Ferdinand Miksch im neuromanischen Baustile
ausgeführt; die Steinmetzarbeiten besorgte die Firma Sitte
und Kunze in Pankraz. 1863 wurde ein evangelischer
Frauenverein gegründet, der sich die Ausschmückung des
Gotteshauses zur Aufgabe gemacht hatte. Die drei Glocken und
die Orgel waren ein Geschenk dieses Vereins. 1899 erfuhr die
Kirche eine gründliche Renovierung, welche der Reichenberger
Baumeister Eduard Beckert ausführte.
1904 zählte
die evangelische Kirchengemeinde Reichenberg 2000 Mitglieder.
Zum Abschluβ
eine kleine, wahre Geschichte, die vielleicht auch etwas von
dem unverkrampften Verhältnis
von Katholiken und Protestanten in unserer Gegend erzählt:
Ein
kleines Maffersdorfer Mädchen hatte vor dem Schulgottesdienst
aus Versehen Kaffee getrunken und war zur Kommunion gegangen.
Damals war aber Nüchternheit vor dem Empfang des Sakramentes
Gebot. Eine Freundin berichtete dem Katecheten Sommer davon.
Dieser tadelte das Kind im nächsten Schulgottesdienst vor der
Kirchengemeinde, vielleicht um eine allgemeine Belehrung
daraus zu machen. Das Mädchen verlieβ
weinend die Kirche und kam auch so statt in der Schule zu
Hause an. Die Mutter fragte nach der Ursache. Als sie sie
erfahren hatte, meinte sie: "No, dou brauchste doch ne
flenn'n, dou war'n mr halt evangelisch." Und so geschah
es und blieb es.
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