Hier will ich
mit einem Brief von Horst Neufuβ einen Bogen in die
Gegenwart schlagen und einen Enkel zu Wort kommen lassen, der
die Handwerkstradition seiner Vorfahren auch in der neuen
Heimat fortsetzte. Auch dieses Beispiel soll für viele
gleiche stehen. Horst Neufuβ ( Jahrgang 1939 ) aus
Dortmund-Holzen schreibt:
"Das
Handwerk war im Sudetenland schon lange vor dem Krieg sehr gut
ausgebildet und organisiert. Dies war nach der Vertreibung von
groβem Vorteil. Die gut ausgebildeten Handwerker fanden
in ihren neuen Wohngebieten gleich eine qualifizierte Arbeit.
Die Dachdecker waren besonders begehrt.
Mein Groβvater,
Josef Neufuβ, besaβ in Proschwitz ein
Dachdeckergeschäft, das er mit seinen Söhnen Willi und Artur
betrieb. Es wurde hauptsächlich mit Schiefer gearbeitet.
Nicht nur Dächer, sondern auch Giebel und Fassaden wurden
damit gedeckt. Vor einigen Jahren konnte ich noch sehr schöne
Arbeiten an alten Häusern in Oberhanichen bewundern.
Mein Vater, Artur Neufuβ,
spezialisierte sich auf diese Art der Dachdeckung. In den
schneereichen Wintern unserer Heimat war es den Dachdeckern
nicht möglich, ihren Beruf auszuüben. Da es das
Schlechtwettergeld damals noch nicht gab, waren sie gezwungen,
sich einen Nebenerwerb zu suchen. Von meinem Vater weiβ
ich, daβ er meistens in Gablonz in einer Glasschleiferei
arbeitete. In unserem Haushalt gab es daher reichlich
geschliffene Untersetzer und Messerbänkchen. Einige davon
leben sogar heute noch. Nach Krieg und russischer
Gefangenschaft fand mein Vater 1949 in Velbert sofort wieder
Arbeit in seinem Beruf. Unsere Familie hatte dort eine zweite
Heimat gefunden. Auch ich erlernte den Beruf des Dachdeckers.
Nach Gesellen- und Meisterprüfung gründete ich in Dortmund
meinen eigenen Dachdeckerbetrieb. Vor einiger Zeit konnte ich
mein 25jähriges Betriebsjubiläum feiern. Auch andere aus den
Neufuβ-Familien gründeten neue Dachdeckerbetriebe, so in
Gieβen und Bielefeld. Hier wird die gute, alte,
sudetendeutsche Tradition weitergeführt.
Haus in Oberproschwitz