Der
Weg zum Friedhof
Das Pfarrkreuz 1940
Das Pfarrkreuz 1995
In Maffersdorf
führt der Weg zum Friedhof von der Kirche hinauf auf die
Höhe des Wacheberges, vorbei am Pfarrkreuz. Mir ist es fast
wie ein Symbol für den Lebensweg des Menschen: lang,
ansteigend, für manche mühevoll, das Kreuz am Wege mit einer
Bank zum Ruhen. Eine Bank steht heute noch dort. Dem Kreuz
fehlt nun zwar das Bild des gekreuzigten Heilandes, aber das
Kreuz als Symbol des christlichen Abendlandes grü βt
noch über
die Hügel.
Seit 1878 ist
der "neue interkonfessionelle Friedhof" die letzte
Ruhestätte unserer Vorfahren gewesen. Jeder der früheren
Bewohner Maffersdorfs wird bei einem Besuch der alten Heimat
seine Schritte dorthin lenken. Mancher wird noch zielsicher
auf die Stelle zeigen können, wo das Familiengrab war, auch
wenn jetzt auβer
Gras nichts mehr zu sehen ist.
Man war doch
so oft an dieser Stelle gestanden. Kann man vergessen, wo
Vater und Mutter oder die Geschwister liegen? Man hat hier oft
gebetet, Zwiesprache gehalten und die Stelle gepflegt.
Mancher findet
auch noch das Grab und den Grabstein. Mir fielen im Frühjahr
1995 die Grabstätten auf mit den Namen der Familien
Porsche-Glaser, Josef Appelt, Gustav und Josef Linke,
Hauser-Seidel, Schlenz, Franz Pfeifer, Franz Skolaude, Karl
Gärtner, Götzel-Rotter, Rudolf Nowak, Ignaz Thürl, Storm,
Dressler, Josef Möller, Adolf Hübner, Tschörch-Hauser,
Gustav Schön, Eduard Jos. Schorsch, Anton Hanisch, Anton
Staatz, Ginzkey, Baudisch-Jung, K. Zumpf, Wilhelm Nörig und
des Bürgerschuldirektors Paul Spandrzyk. Ich habe sie
fotografiert und mir die Namen aufgeschrieben. So legt unser
Friedhof auch heute noch von seiner deutschen Vergangenheit
Zeugnis ab, und ich hoffe, da β
es so bleiben wird. Wahrscheinlich habe ich einige deutsche
Gräber und Namen übersehen, denn es regnete, schneite und
der Wind blies durch die Gräberreihen. Zwischendurch muβte
ich vor dem jetzigen Leichenhaus, der ehemaligen Ginzkeygruft,
Schutz suchen und mir die Hände
wieder wärmen. Dabei versuchte ich mir ins Gedächtnis zu
rufen, wie sie mit der Kuppel ausgesehen hatte. Ein altes Bild
hat meiner Erinnerung dann nachgeholfen.
Jetzt liegen
schon viele Tote mit tschechischen Namen in dieser geweihten
Erde. Im Grab meines Gro βvaters
und der Urgroβeltern ruhen nun die Angehörigen
einer tschechischen Familie, die Marmortafel trägt neue
Namen. Aber der Platz wird gepflegt. Mancher Stein scheint
seinen Platz gewechselt zu haben.
So erfuhr ich
in den letzten Jahren bei meinen Besuchen auf dem Friedhof
auch immer wieder viel Tröstliches. Ich traf die alten
deutschen Frauen, die durch die Jahrzehnte den Weg mit der Gie βkanne
zu den Gräbern
nicht gescheut haben. Immer wieder hörte ich im Gespräch die
Sätze: "Das waren unsere Freunde und Nachbarn, man kann
doch die Gräber nicht verlottern lassen." Sie taten
manches ohne den Dank der Angehörigen zu erwarten. Den Frauen
wird dieses Werk der Nächstenliebe sicher auch Gott vergelten.
Friedhöfe
und Gräber sind eigentlich allen Menschen heiliger,
ehrwürdiger Boden, ganz gleich welchen Namen Gott in ihrer
Religion trägt. Der Haβ
oder der Unglaube müssen sehr groβ sein, wenn Gräber
und Friedhöfe geschändet werden. Mögen Frieden und
Versöhnung über den Gräbern Nordböhmens möglich werden,
daβ deutsche und tschechische Namen nebeneinander Platz
haben können, um aus der Geschichte des Landes zu erzählen.
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