MARIA
UND JOSEF DIWOK
( 1898 – 1972 )
Von
den Leiden des Sommers 1945
Dokumente und
Briefe
Hier sprechen
ein paar Sätze, ein Brief und zwei Dokumente deutlicher und
beredter als viele, viele Worte über die schrecklichsten
Wochen und Monate in der Geschichte Maffersdorfs. Sie sind
nicht zu beschreiben, sie mu βten
durchlitten werden, und mancher ist daran zerbrochen.
Josef Diwok
jun. schreibt: "Mein Vater, Josef Diwok, war in Murnau
Postmeister bis 1963, ebenso wie in Maffersdorf bis zur
Einberufung 1942. Bei den beigefügten Kopien ist auch die
Ausweisungsverfügung vom 26.6.1945. Sie betrifft unsere
Familie und die von Vaters Bruder Theodor. Wir wohnten in
Maffersdorf Nr. 339. Meine Mutter wurde im Verlaufe der
Ausweisung in der Turnhalle halb tot geschlagen, bewu βtlos
von uns im Viehwaggon mitgenommen und in Zittau ins Spittal
eingeliefert, wo sie bis 1. August bleiben muβte. Das
zweite Dokument weist ihren anschlieβenden Aufenthalt in
der Krankenabteilung des Flüchtlingslagers in Zittau nach und
den Befund der Kopfverletzungen. Mutters Verbrechen war, daβ
sie nicht aussagte, wo mein Vater und mein älterer
Bruder Otto waren. Die beiden sind einen Tag vorher in der
Nacht über die Grenze nach Zittau gegangen, um einiges in
Sicherheit zu bringen, denn Vater hatte einen Wink von der
bevorstehenden Ausweisung erhalten."
Ich füge hier
noch an, da β
Josef Diwok jun. damals gerade 10 Jahre alt war und das jüngste
der drei Kinder, Walter, 18 Monate. Maria Diwok ist 1972 im
Alter von 65 Jahren in Murnau verstorben, ihr Gatte, für den
sie ihr Leben eingesetzt hatte, starb 1969.
Er hatte in
seinem Leben öfter einen guten Schutzengel: Mit 18 kam er im
1. Weltkrieg mit dem k.u.k. Militär an die italienische Front
und in Gefangenschaft. Im 2. Weltkrieg wurde er 1942 noch
eingezogen. Am 14.2.45 wurde er bei dem schweren Angriff auf
Dresden dort verschüttet und wie durch ein Wunder durch einen
Kamin aus dem Trümmerhaufen gezogen. Als die Familie im
Sommer 1945 dann bei Dresden einer russischen Streife in die
Hände fiel, die Männer zum Transport nach Ruβland
einsammelte, wurde Josef Diwok als "zu alt" nicht
mitgenommen, er hatte einen Dienstausweis hergezeigt, auf dem
fälschlicherweise
sein Geburtsjahr nicht mit 1898, sondern mit 1889 angegeben
war.
Nun kommt noch
einmal Josef Diwok jun. zu Wort:
"Im
Herbst 1945 machte sich mein Vater mit meinem damals
15jährigen Bruder Otto von Wöhlsdorf b. Saalfeld bei Nacht
und Nebel auf den Weg über die Zonengrenze, um nicht mehr als
landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter arbeiten zu müssen,
sondern wieder als Postbeamter Beschäftigung zu finden. Nach
groβen
Umwegen und Entbehrungen kam er nach München, wo er für
einen Monat ins Gefängnis muβte, weil er
unberechtigterweise zwei Lebensmittelkarten über 1kg Brot und
100g Margarine besaβ; er hatte sie auch für meine
Mutter, die ja nicht dabei war, empfangen und angenommen. Mein
Bruder muβte in dieser Hungerzeit zur 'Strafe' das Essen
für das Gefängnis aus der Krankenhausküche holen, eine der
damals besten Beschäftigungen, die es gab. Im November
erhielt mein Vater dann als Postmeister das Postamt Murnau
zugewiesen. Als wir seinen Brief erhielten, waren wir
überglücklich. Vater schrieb, wir sollten alles unternehmen,
um die Genehmigung für die legale Ausreise in die
amerikanische Zone zu erhalten. Mitte Dezember ging die Reise
los mit Groβmutter, Mutter, Kleinkind und mir
Zehnjährigem. Nach vielen Unterbrechungen und weiten Fuβmärschen
wegen gesprengter Brücken und fehlender Züge kamen wir spät
abends am 23. Dezember auf dem zerstörten Bahnhof in München
an. Ein Eisenbahner, der uns so armselig auf den Steinen
sitzen sah, fragte, wo wir denn noch hin wollten. Nach Murnau
ging natürlich kein Zug mehr. Aber er bot uns an, daβ
wir die Nacht in seinem kleinen Bahnwärterhäuschen
verbringen könnten. Als er dort dann noch hörte, daβ
mein kleiner Bruder an diesem Tage seinen zweiten Geburtstag
hatte, schenkte er ihm seinen einzigen Apfel. Am nächsten
Tag, dem Heiligen Abend, fuhren wir nach Murnau und kamen
nachmittags an. Wir gingen sofort zum Postamt. Mutter schickte
mich, Vater zu suchen. Man wies mich ins Büro im ersten
Stock, wo ich anständig anklopfte und nach dem 'Herein'
vorsichtig die Türe öffnete. Mein Vater, der noch keine
Ahnung hatte, daβ wir unterwegs waren, riβ die Augen
auf; er konnte es nicht fassen, daβ alles gut gegangen
war und die Familie wieder glücklich
zusammen sein durfte.
Ich werde
diesen Augenblick des Wiedersehens und des Glückes mein
ganzes Leben lang nicht vergessen."
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