Von den alten
Gemeindewesen
Das Gemeindeleben trug in den früheren
Jahrhunderten ganz den despotischen Charakter der Zeit. Die
Gemeindevorsteher - Aicher=Seits Richter, Reichenberger=Seits
Scholzen genannt - herrschten mit wenig beschränkter
Machtvollkommenheit in ihren Gemeinden und waren allein dem
Amtshauptmanne verantwortlich. Das Amt der Scholzen war
erblich und haftete am Besitztum, dem Erbkretscham, der oft
doppelt so groβ war wie ein gewöhnliches Bauerngut,
robot- und abgabenfrei, mit dem Schankrecht und verschiedenen
anderen Vorrechten versehen. Der Scholtes bezog eine
Prozentualgebühr von den durch ihn eingehobenen Steuern (von
jedem Gulden 1 Kreuzer) und erhielt aus dem herrschaftlichen
Brauhause je das 40. Faβ Bier gratis. Auβerdem hatte
er die Gebühren von den Gerichtsverhandlungen; sonst aber von
der Gemeinde keine Besoldung, da ihm sein Amt nicht von
dieser, sondern von der Herrschaft verliehen war. Maffersdorf
A.S. hatte ebenfalls Erbrichter.
Später wurden die Vorsteher von der
Gemeinde gewählt, jedoch auf Lebenszeit, was zu vielfachen
Streitigkeiten Anlaβ gab, wenn er das Vertrauen der
Gemeinde verlor. Das Abzeichen seiner Würde war das "Jurament",
eine ellenlange, ausgestopfte, mit rotem Tuch überzogene
Keule mit einem Handgriff. Es war ihm bei der Vereidigung
durch den Amtshauptmann übergeben worden und hatte seinen
Platz neben dem Gerichtstische an der Wand. Wenn etwa die
Insassen beim Trunke unruhig wurden, sich respektwidrig
betrugen oder gar in Streit gerieten, nahm der Vorsteher das
Jurament zur Hand, schlug damit dreimal auf den Tisch und
gebot Ruhe im Namen der Obrigkeit. Das wirkte allezeit wie mit
Zaubergewalt auch auf die unbändigsten Naturen, denn man wuβte,
welche Strafgewalt dahinter war.
Der Vorsteher ernannte nach eigenem
Belieben seine Beisitzer, die Schöppen oder Geschworenen; nur
allein der Gemeinde-Älteste, der den Haushalt der Gemeinde
versah und ihr Vermögen zu verwalten hatte, durfte in der
Regel gewählt werden. Der Schulmeister war gewöhnlich der
Gerichtsschreiber. Alle Gerichtsverhandlungen wurden in der
Stube des Kretschams in Gegenwart des Richters/Scholtes, der
Schöppen, Parteien und Zeugen abgemacht. Strafen waren das
Pöngeld (Bier für die Gemeinde zum Vertrinken), das
Eselreiten (hölzerner Esel mit scharfem Rücken), Stock oder
Geige (zum Einklemmen von Beinen, Hals und Armen), der Pranger
und die Robot (Zwangsarbeit).
Bei alledem waren die Gemeinden in ihren
inneren Angelegenheiten viel freier, als man glauben sollte;
von bürokratischer Bevormundung keine Spur.
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