Der Scholtes Georg Seidel sank nach und
nach in Armut und konnte die herrschaftlichen Abgaben nicht
bezahlen. Wie in solchen Fällen üblich nahm die Herrschaft
den Kretscham und verkaufte ihn an einen anderen, den sie dann
als neuen Scholtes einsetzte. Seidel wurde zuvor wegen seiner
Rückstände mit Arrest belegt. Da ging sein Schwiegersohn
Georg Lammel (Groβvater des späteren Scholtes Gottfried
Lammel in Proschwitz) zum Amte und befreite ihn durch eine
Bürgschaft für 100 Gulden. Ihn traf das Los vieler Bürgen:
er muβte schlieβlich als Zahler eintreten und, da er
selber keine Barschaft hatte, ging er auf die Aicher Seite zum
Erbrichter Simon Richter, der da ein reicher Garnhändler war,
und borgte sich von ihm die nötigen 100 Gulden. Lammel
erhielt zur Entschädigung eine Wiese als Eigentum, den
Nutzertrag davon gab er aber dem Richter als Zins für sein
Darlehen, bis dieses erstattet sein werde. Von dieser Zeit hieβ
jenes Grundstück die "Lammelwiese*". Georg Lammel
gelang es, bei Lebzeiten die Hälfte der Schuld an Simon
Richter abzutragen. Nach seinem Ableben wurde sein Gut
verkauft; doch hatte er seinem Weibe ans Herz gelegt, jene
Wiese womöglich für die Kinder zu erhalten. Die Witwe bezog
nachdem einen Auengarten, wo sie mit ihren Kindern fleiβig
spann und auch bei den Bauern als Taglöhnerin arbeitete. Also
hat sie mit Garn und Arbeit den Rest der Schuld ihres Mannes
getilgt. Als Lammels Witwe endlich ihr mühseliges irdisches
Tagewerk vollendet hatte, trat der Scholtes Melchior Hauser -
er hatte die älteste Tochter Georg Lammels geheiratet - gegen
seine Schwäger mit Ansprüchen auf die Lammelwiese hervor und
wollte diese allenfalls mit einigem Geld abfinden. Dei Waisen
aber hielten fest an dem Erbe, das ihre Mutter so kümmerlich
für sie erhalten, und weigerten sich entschieden, dem reichen
Schwager zu willfahren. Um das Jahr 1760 wurde der Besitz
dieser Wiese von Gottfried Lammel, dem Enkel jenes Georg
Lammel, dem nunmehrigen Scholtes von Proschwitz, wiederum
angefochten und der Streit wegen derselben aufs Neue entfacht.
Der darüber geführte Prozeβ gelangte erst nach Lammels
Tode durch ein Urteil zu Prag am 23. Juni 1779 zur
Entscheidung, wonach der Maffersdorfer Scholtes Johann Franz
Hauser für das volle Eigentumsrecht an der Wiese noch 100
Gulden zu erlegen hatte, wovon die Zinsen für Messen für die
Seele Gottfried Lammels verwendet wurden.
*Zur Erklärung für Sie: Auf jenem
Wiesengrundstück wurde das alte Schulhaus unterhalb der
Kirche gebaut, das herrschaftliche Branntweinhaus und eine
Brettsäge. Die letzteren Gebäude muβten später
Fabrikgebäuden der Firma Ginzkey weichen.