Fa. I. Ginzkey - 3

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3. Auf der Höhe der Entwicklung.

1930 erschien im Verlag Prof. E. Fischer Wien ein kleines Büchlein über "Teppiche" von Felix Salten. Er berichtet darin über einen Besuch in der Teppichfabrik Ginzkey, als er anläβlich einer Vortragsreihe nach Maffersdorf kam "... und dort Gelegenheit hatte, das interessante Schauspiel zu beobachten, wie asiatische Handarbeit ins Europäische übertragen und zur Höhe der Vollkommenheit gebracht wird."

Ich will hier ein paar Ausschnitte aus seiner Schrift etwas gekürzt wiedergeben:

Was mir sofort auffiel, als ich über das schöne, dicht bewaldete Gebirge nach Maffersdorf kam, war der in die Augen springende Umstand, daβ der ganze lieblich gelegene Ort sein Gedeihen, sein Wachstum der Teppichfabrik verdanken mochte. Dann sah ich im stattlichen, architektonisch vornehm gehaltenen Bureaugebäude der Fabrik das Bild eines kleinen Bauernhäuschens, die Keimzelle der heute so weit in der Welt bekannten Firma.

In dem riesigen Saal des Bureaugebäudes, der das "Museum" genannt wird, steht man vor dem Anfang und zugleich am Ende aller Arbeit. Hier liegen Prachtstücke echter alter Perser, hier finden sich hingebreitet köstliche Exemplare von Aubusson-Teppichen aus dem 18.Jahrhundert. An den Wänden hängen Teppiche der deutschen wie der französischen Renaissance bei Gobelins aus der Zeit Ludwig XIV. Daneben sind alle diese Kostbarkeiten in ihrer Erneuerung zu sehen. Da gibt es keinen noch so edlen Perser oder Anatolier oder Buchara, keinen noch so vornehmen Brüsseler, keinen Gobelin, dessen Maffersdorfer Kopie sich hier nicht fände. Erheiternd, wie oft der Besucher sich irrt, wie oft er die Wiedergabe mit dem Original verwechselt.


In der Axminster-Weberei von links:
Otto Hub, Franz Halbig, Heinrich Jäger, Else Hübner, Emil Reinhold
in der Mitte: Herr Wildner

Man geht durch helle, atelierartige Säle. An vielen Tischen arbeiten Zeichner und Zeichnerinnen. Sie entwerfen die Dessins, die von den Kunden bestellt sind. Andere komponieren neue Ornamente, die Erfolg haben oder liegen bleiben werden. Es sind künstlerische Talente unter diesen Zeichnern.

Dann bin ich im Laboratorium der Färberei. Hier waltet als Chef ein Chemiker von ruhigem sachlichem Fanatismus. Seine Aufgabe ist eine der wichtigsten. Seine Küche vermag es, alles zu verderben oder allem ins schönste Gelingen zu helfen. Der Chefchemiker, der hier arbeitet, ist ein Schüler des Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, bekennt sich zu dessen Farbenlehre und hat sie hier mit durchgreifenden Erfolg schon angewendet, als diese von den Praktikern anderer Fabriken noch zweifelnd belächelt wurde. Und wie behutsam wird darauf geachtet, die empfindliche Wollfaser zu schonen, wie wird in immer neuen und immer erneut geprüften Methoden darauf geachtet, alle haltbaren Eigenschaften der Wolle mit der Schönheit der leuchtenden Farbe mehr und mehr zusammenzustimmen.

In den Räumen der groβen Färberei dampfen dann die vielen Kessel, darin die Wolle alle erdenklichen Farbnuancen erhält. Sorgfältig bewachen vor jedem Kessel geschulte Arbeiter die richtige Temperatur und die richtige Dauer des Verfahrens.


1907 - hier wird ein 15m breiter Teppich geknüpft


1928 - Abtransport des 15m breiten Teppichs für das Walldorf-Astoria Hotel in New York
3. + 4. von links Franz Porsche (Vater und Großvater von Lothar Porsche (Rb)

Ich möchte aus dem Lexikon noch hinzufügen:

1. Felix Salten, *1869 †1945, war Schriftsteller, Schriftleiter, Theaterkritiker, emigrierte 1938, lebte in Hollywood und Zürich; schrieb Theaterstücke, Novellen und Romane. Von ihm stammt die von W. Disney verfilmte Bambi-Geschichte.

2. Wilh. Ostwald, *1853 †1932, Chemiker, Physiker und Philosoph erhielt 1909 den Nobelpreis für Chemie.

Wir kommen in die Spinnerei und die Teppichknüpferei. 
Salten schreibt:

Aus riesigen Ballen holt man die Wolle. Unersättlich schlingt der gewaltige Rachen der Reinigungsmaschine das Futter ein, Ballen um Ballen. Aus den groβen, weit aufgerissenen Mäulern eherner Trichter stöbert's in dicken Flocken. Das fällt zu Boden, liegt in hohen Haufen da, um sodann in der Spinnerei zu landen. Hier stehen sie, Frauen und Mädchen, an den riesenhaft breiten Maschinen, die das Garn spinnen. Tausende und Tausende von Spindeln drehen sich mit hellem Gesumme. Tausende und Tausende von Fäden spannen sich in den Naturfarben der Wolle und laufen so schnell zu den wirbelnden Spulen, daβ man ihre einförmige Bewegung kaum wahrnimmt. Die Arbeiterinnen müssen aufpassen, wo einer der vieltausend Fäden reiβt.

Frauen und Mädchen knüpfen auch die Teppiche. Ganz nebeneinander sitzen sie am Knüpfstuhl. Es ist bei der Gleichzeitigkeit, mit der jede Reihe fertig werden muβ, ein rhythmischer Vorgang. Und die Frauen an einem Stuhl sind denn auch zusammengehörig, sind so vollkommen in Rhythmus und Tempo aufeinander eingearbeitet; zur gleichen Sekunde ist die Reihe fertig. Der Schuβ saust darüber und wird von allen gleichmäβig festgeklopft. Es gibt, je nach dem Erfordernis, schmale und breite Knüpfstühle. Hier steht z. B. der gröβte Knüpfstuhl, der überhaupt auf der Welt vorhanden ist. Neunzehn Meter breit. Auf ihm wurde der gröβte Teppich hergestellt, den es gibt. Sehr amüsant ist es auch, im Gegensatz dazu, die Maschine zu betrachten, die das Knüpfen selbst besorgt. Der nach seinem Erfinder so benannte "Banyai"-Knüpfstuhl weckt den Eindruck, als seien viele insekten- oder krabbenähnliche Tiere an einer Kollektivarbeit tätig. Ein einziger Mensch genügt, um diese Maschine, die beinahe witzig oder humoristisch verschmitzt erscheint, zu betreuen. Es gibt nur wenige und nur für schmale Teppiche bestimmte Banyai-Maschinen hier.

Auf Webstühlen wurden Chenilleteppiche, "Brüsseler" und "Velvets" hergestellt. Der Unterschied zwischen den einzelnen Qualitäten richtete sich nach der Feinheit des Wollgarns, nach der Höhe des Flors und nach der Dichte der eingestellten Faden. Billigere Teppiche waren die Druckgarnteppiche, Patentvelvets, Haargarnteppiche oder Bouclés. Es wurden auch noch "köstliche" Decken und allerlei "entzückende" Stoffe erzeugt.

Die "Brüsseler" und "Velvets" wurden auf Jacquard-Maschinen hergestellt, bei denen eine Pappendeckelschablone mitläuft, die den Zug der Fäden je nach dem Muster reguliert. Felix Salten schreibt über den Erfinder der Maschine: Der Name Jacquard ist heute schon ein technischer Fachausdruck geworden. Geht man jedoch diesem Namen in der einschlägigen Literatur nach, so trifft man auf einen der interessantesten Menschen, auf eine geniale Leistung und auf ein seltsames Schicksal. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wird Charles Maria Jacquard als der Sohn eines armseligen Teppichwebereiarbeiters zu Lyon geboren. Kinder werden noch in den Fabriken verwendet, die Arbeit an den Webstühlen ist schwer, die hygienischen Zustände sind miserabel, so daβ Generation um Generation verelendet. Schon der Knabe empfindet diese Übelstände schmerzlich, verweigert die Fronarbeit in der Fabrik, kämpft mit dem Vater um die Erlaubnis, die Schule zu besuchen, und trägt von seinen Jünglingsjahren angefangen den Erfinderplan in seinem Kopf herum.

Dem Mitleid mit den Mühseligen und Beladenen entsprang seine Erfindung, dank welcher die ganze Bildweberei gewaltig nach vorwärts gebracht und das Los der Arbeiter bedeutend erleichtert wurde.

Merkwürdigerweise ist Jacquard erst vom Kaiserreich anerkannt und, kärglich genug, belohnt worden. Ebenso merkwürdig, daβ gerade die Arbeiter ihn als Feind behandelten. Die wütende Volksmenge schleppte seine Maschinen auf die Straβe und verbrannte sie. Man machte ihm den Prozeβ. Und der Gerichtshof, der aus Fabrikanten bestand, verurteilte ihn. Nur seinen dringenden Bitten, den Beweis für die Tauglichkeit, für die Nützlichkeit seines Systems erbringen zu dürfen, wurde mit aller Skepsis stattgegeben. Jacquard stellte seine Maschine mühselig wieder her. Öffentlich vor vielen neugierigen Zuschauern arbeitete er im Palast St. Pierre. Und nun erst wurde er freigesprochen. Ein Erfinder, der für sein segenbringendes Werk verfolgt, angeklagt, verurteilt wird, um zuletzt, als höchste Belohnung, den Freispruch zu erlangen.

Ich möchte noch hinzufügen, Salten war kein Fabrikarbeiter. So mag ihn wohl der Arbeitsrythmus der Knüpferinnen fasziniert haben, ob er aber die Härte dieser Arbeit erkannt hat, bezweifle ich. Viele Arbeiter haben mehr als 50 Jahre für ihren Chef gearbeitet und zum Wohlstand der Firma und unseres Ortes beigetragen. Als eine Anerkennung für alle mögen die Bilder der Jubilare in diesem Buche stehen.


50jähriges Dienstjubiläum von Josef Halbig - Leiter des Zeichenateliers - 
geboren 1859, eingetreten 1872, in Pension 1930, gestorben 1936
oben: E. Schwarzbach, J. Möller, R. Kotnik, E. Meltzer, L. Gruß, G. Nöhrig, E. Elger, E. Sinn (Simm, lt. E. Peukert), A. Elger, E. Gärtner, R. Möller
mitte: E. Simon, W. Porsche, F. Pilz, A. Scheufler, H. Ilchmann, A. Kretschmer, E. Trenkler, R. Schmidt, J. Wünsch, R. Hofrichter, R. Kautzky, und der Jubilar;
unten: A. Appelt, W. Halbig, R. Quaiser, E. Schäfer, F. Tugemann, R. Nowak, L. Foussadier


40jähriges Dienstjubiläum des Axminsterweberei-Leiters Gusatv Reinhold, 
geb. 1863, eingetreten 1887, Pension 1932, gestorben 1938
Heinrich Jäger, Willy Wildner, Emil Reinhold, Franz Halbig, Josef Porsche


1876-1926
Unserem Abtlg.-Beamten Herrn 
Raimund Wöhl, 50


1918 - Bau des Kohle- und Wasserturms

 

Copyright © by Inge Schwarz 1994 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND