PAULA
WOLF-SCHWIND
(* 27.4.1900 )
Erinnerungen
aus einem Künstlerleben
nach
einem Manuskript von Prof. Otto Feix, 1967
Die
Konzertsängerin Paula Wolf-Schwind wurde am 27.4.1900 in
Maffersdorf geboren, wo ihr Vater Abteilungsdirektor in der
Teppichfabrik I. Ginzkey war. Schon früh hat sie sich für
Gesang interessiert und nahm Unterricht bei dem damals am
Reichenberger Stadttheater wirkenden Bariton Fritz Krenn
(später Staatsoper Berlin), der sehr bald die gro βe
Begabung erkannte und ihr eine Berufsausbildung als Sängerin
dringend empfahl. So begann Paula Schwind 1919 das
Gesangsstudium am Konservatorium für Musik und Theater zu
Dresden, wo sie u.a. Schülerin von Frau Prof. Gasteyer war.
In das gleiche
Jahr fiel die zweite Heirat von Willy Ginzkey, der 1919 die
1880 geborene Sängerin Julia Culp
ehelichte. Ich kann mir gut vorstellen, da β
die junge Paula in der künstlerisch reiferen und erfahreneren
Frau Julia Culp-Ginzkey eine Freundin fand, die sie ebenfalls
sehr förderte. 1923 jedenfalls schloβ Paula Schwind ihre
Ausbildung in Dresden mit Auszeichnung ab. Es folgten Jahre
intensiver Konzerttätigkeit,
vor allem im Sudetenland und in Sachsen. Neben vielen
selbständigen Liederabenden gab sie auch Konzerte gemeinsam
mit anderen Künstlern (u.a. mit Herbert Häfner, vielfach
auch in Reichenberg tätig, 1952 als Dirigent der Wiener
Sinfoniker im Salzburger Mozarteum während eines Musikfestes
verstorben).
1926 kam ein
junger Bankbeamter der Böhmischen Escomptebank und
Creditanstalt in Teplitz-Schönau an die Dresdner Bank nach
Reichenberg, Edgar Wolf. Er war 1900 in Saaz geboren, wurde
ausgebildet an der k.u.k. österreichischen Militärakademie
zu Wiener-Neustadt, absolvierte ein Studium an der Technischen
Hochschule in Wien und schlo β
ein Volkswirtschaftsstudium an. Da er sehr musikalisch war,
widmete er sich schon früh fast nebenher dem Klavierstudium.
Später spezialisierte er sich als Klavierbegleiter. So wurde
er, als er in Reichenberg arbeitete, z.B. oft von Frau Julia
Culp-Ginzkey, einer bedeutenden Meisterin im Liedgesang, zum
Korrepitieren gebeten. In Maffersdorf leitete und dirigierte
er auch einige Jahre den Gesangverein. Der Name Paula
Wolf-Schwind erzählt ja nun die Geschichte selbständig
weiter. Ich denke, daβ da in Maffersdorf mit Freude
musiziert und gesungen wurde. Edgar Wolf fügte dem Manuskript
eine Fuβnote an und sagt: "Meine Frau hat auch oft
in der Maffersdorfer Kirche gesungen und bei Kirchenkonzerten
mit dem Gesangverein. Am 11.4.1931 gab sie ein
Wohltätigkeitskonzert in der Turnhalle in Maffersdorf zu
Gunsten der Arbeitslosen von Maffersdorf. Es erbrachte einen
Reinertrag von 1.275,60 Kronen. Ich weiβ dies deshalb so
genau, weil mein
Schwiegervater (in seinem Vaterstolz) das mit der
Empfangsbestätigung des Bürgermeisters versehene
Konzertprogramm in seinen Dokumenten mit nach Deutschland
brachte."
Zu dieser
Zeit, 1931, war Paula Wolf-Schwind schon Fachlehrerin für
Gesang an der Reichenberger Musikschule. Der Kreis ihrer
Gesangschüler war sehr gro β.
Zu ihren Privatschülern zählte u.a. der bekannte Bassist des
Reichenberger Stadttheaters Josef Kaufmann. In ihren eigenen
Konzerten wurde die Künstlerin meistens von ihrem Gatten
begleitet. Zwei zufällig erhaltene Zeitungsartikel sagen uns
etwas über die Künstlerin. Am 24.10.1930 schreibt Gustav
Gärtner im Reichenberger Tagesboten anläβlich eines
Liederabends u.a. über das wundervoll hingehauchte Pianissimo
und wie die Künstlerin es verstehe, den geistigen Gehalt der
Lieder zu erfassen, wobei sie von einem schlicht-natürlichen
Mienenspiel auf das wirksamste Gebrauch mache. Dr. Morche
berichtet in der Reichenberger Zeitung über ein Orgelkonzert
am 14.3.1937: In Paula Wolf- Schwind besitzen wir eine unserer
musikalischsten und kultiviertesten Liedersängerinnen.
Technisch steht sie auf der Höhe, so daβ ihr pastoser
Alt das Letzte an Reiz und Innigkeit hergibt. Was aber ihre
Kunst in besonderem Maβe verklärt,
das ist ein blutwarmer, beweglicher Vortrag.
Edgar Wolf war
in dieser Zeit bereits Bevollmächtigter der Dresdner Bank in
Reichenberg. Anfang der drei βiger
Jahre wurden Renate und Brigitte, die beiden Töchter des
Ehepaares, geboren. So deutete wohl alles auf eine gute
Zukunft, aber Krieg und Vertreibung setzten auch hier ein
jähes Ende. Nach der Aussiedlung wechselte Edgar Wolf ganz in
das wissenschaftliche Fach Volkswirtschaft über. Er hat das
"Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung" in München
mit aufgebaut, das sich in kurzer Zeit nicht nur in
Westdeutschland, sondern auch international einen Namen
gemacht hat. Als stellvertretendes Vorstandsmitglied und
Leiter der Industrieabteilung konnte er eine ganze Anzahl
Sudetendeutscher wieder in den Arbeitsprozeβ eingliedern.
Er hielt im In- und Ausland zahlreiche Vorträge, so z.B. bei
der O.E.C.D. in Paris. Unter seiner Leitung wurden in seiner
Abteilung viele Gutachten für die Bundesregierung in Bonn,
für groβe Firmen und Verbände, für die hohe Behörde
in Luxemburg, die EWG in Brüssel usw. erstellt. Anläβlich
seines 65. Geburtstages wurden seine Verdienste in allen
führenden Wirtschaftszeitungen gewürdigt. Im Herbst 1966 lieβ
er sich in den Ruhestand versetzen, um wenigstens noch ein
paar Jahre nur seinen Hobbys, der Musik und Malerei, leben zu
können.
Frau Paula
Wolf-Schwind widmete sich nach 1945 ausschlie βlich
der Familie und der Erziehung ihrer Töchter.
Das Ehepaar verbrachte nach 1966 jedes Jahr einige Monate bei
der ältesten Tochter Renate in England. Diese, seit 1955 mit
einem Professor der Universität Glasgow verheiratet,
betätigte sich als Stadträtin und dann als Distriktsrätin
engagiert auf kulturellem und sozialem Gebiet. Brigitte, die
jüngere Tochter, heiratete in München einen Ingenieur.
Man kann sich
aber gut vorstellen, wie im Hause Wolf-Schwind und im Kreise
von Freunden und Bekannten all die Jahre hindurch die Melodien
von Franz Schubert, Johannes Brahms und Hugo Wolf, den
Lieblingskomponisten der Künstlerin, ebenso die Musik der
Klassik und der Moderne erklangen und erfreuten.
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