EMIL
MATZIG
( geboren 1876 )
Ein
Fotograf, der mit dem Herzen sah.
Während
meiner Arbeit an der Chronik, bekam ich über das Ehepaar
Jäger in Faistenhaar ein altes Fotoalbum geschenkt. Es ist
die Wege der Vertreibung und durch einige Hände gegangen.
Jeder aber scheint es mit Ehrfurcht betrachtet und behandelt
zu haben. Für mich wurde es ein wahrer Schatz. Es enthält
viele kleine und gro βe,
wunderbare Bilder aus Maffersdorf in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts. Bei jedem Foto steht mit weiβer Tinte,
wie das damals so üblich
war, in schöner deutscher Schrift eine persönliche
Bemerkung, ein Kommentar oder eine Erklärung. Es war ein
Album von Emil Matzig. Ich wurde ungeheuer neugierig. Wer war
dieser Mann mit dem Blick für Schönheit, mit der Liebe zur
Natur und seiner treuen Anhänglichkeit an seine Freunde, der
die Kunst des Fotografierens so meisterhaft verstand? Ich
begann herumzufragen. Das, was ich in Erfahrung bringen
konnte, will ich hier wiedergeben und auch einige seiner Fotos
sprechen lassen.
Emil Matzig
war sein Leben lang Junggeselle, und seine Schwester Marie,
auch nicht verheiratet, führte den Haushalt bis in beider
hohes Alter. Wir haben das kleine Bildchen von Emil Matzigs
75. Geburtstag, das, für ihn ganz typisch, im Volksgarten zu
Grabow aufgenommen wurde. Er liebte Bäume und Parks und ging
dort gerne spazieren. Bei einem Foto vom kleinen Park neben
der Maffersdorfer Kirche, gegenüber der Schule, steht die
Bemerkung: "Es ist hier im Laufe der Zeit ein schöner
Park entstanden, welcher eine Zierde Maffersdorfs ist. Aber
selten geht jemand hier spazieren. Matzig schon." Das
Foto vom 19.7.1925 beweist es. Im Album gibt es auch ein Bild
von seinem Bruder Hugo, "der still und zufrieden seinen
Sonntag genieβt",
und eines von der Silberhochzeit seines Bruders Karl. Die
Kinder seiner Schwester Berta, Alfred und Mariechen, sind auf
einem reizenden Bild "Zum Fronleichnahm 1903" zu
sehen. Ein Foto zeigt ihn am 19.8.1915 im Garnisonsspital in
Innsbruck als "Schütze Emil Matzig mit Vollbart".
Nach der Vertreibung hat Emil Matzig in seinem Album auch
Kartengrüβe eingeklebt, es handelte sich durchgehend um
Fotos von seinen nun weit verstreuten Freunden. Von Dr. Rudolf
Knobloch befindet sich im Album eine Neujahrskarte an Emil und
Marie Matzig in Grabow, Kreis Ludwigslust/Mecklenburg, auf der
er ihnen Gesundheit für 1954 wünscht, sich darüber freut,
daβ Fräulein Marie wieder wohlauf ist, und weiterfährt:
"Möge uns 1954 die deutsche Einheit und den Frieden
bringen." 1956 und 1958 hat Frau Louise Porsche, die
Witwe Ferdinand Porsches, jeweils ein Foto mit Grüβen
und Wünschen
an die Geschwister geschickt. Da war Emil Matzig 82 Jahre alt.
Wann die beiden gestorben sind, konnte ich nicht erfahren.
Gehen wir aber
zurück nach Maffersdorf. Emil Matzig war "Beamter"
der Firma Ginzkey. Welche Tätigkeit er ausübte, konnte ich
nicht erfahren. Fotographieren war wohl eines seiner Hobbys.
Viele seiner Kollegen und auch Arbeiter hat er auf seinen
Bildern verewigt und die Fotos genau mit dem Datum des
Eintritts in die Firma, des Ausscheidens oder des Todes
versehen. Seine Chefs Alfred und Willy Ginzkey und des
letzteren Frau Julia muβ
er sehr geschätzt und verehrt haben. Das geht aus den
Bildunterschriften hervor. Er war sicher auch ein guter
Freund, denn nur als solcher findet man für seine Mitmenschen
gute Worte. Beim Hochzeitsbilde seines Kriegskameraden Artur
Fleischmann ist u.a. zu lesen: "Bei einem groβen
Feldzug trug er auch mein Gewehr. Ich werde immer dankbar
daran denken. Unsagbare Strapazen muβten wir im Weltkrieg
erdulden". Um das Bild von Ignaz Wundrak aus Nr. 575, der
am 7.12. 1935 in Alter von 51 Jahren verstorben ist, hat er
einen ganzen Nachruf geschrieben: "In seinen Reden, die
er oft und gern im gemütlichen Kreise hielt, hatte er einen
beneidenswerten, wundervollen Wortschatz, seine Stimme
zeichnete sich durch Wohlklang aus. Was hat er nicht für
goldene Worte gefunden, ja gepredigt ins Herz hinein. Jedem
einzelnen hat er Liebe gepredigt, Friede, Güte und vor allem
Wahrhaftigkeit und Treue. So bescheiden, einfach und still
unser Ignaz nun war, umso gröβer ist jetzt die Lücke,
die er durch seinen Heimgang unter seinen Freunden hinterläβt.
Mit ihm ist ein Mensch dahingegangen, der wohl keine Feinde
hatte." In einer Fuβnote fügt er dann noch an, daβ
er das Bild 1936 anläβlich seiner Namenstagsfeier in der
Mosesquelle von Richard Lammel als Erinnerung an seinen lieben
Freund Ignaz erhalten habe.
Damit sind wir
bei der Mosesquelle. Dort war er bei den Wirtsleuten Arnold
und Elisabeth Elstner, den Rübezahlern und vielen geselligen
Kreisen ein gern gesehener Gast. Annelies Pfeffer-Elstner,
damals ein kleines Mädchen, erinnert sich daran, da β
Herr Matzig ein sehr musischer Mensch war und für die Kinder
und jungen Leute ein guter Freund mit einer stets offenen
Hand. An seine Groβzügigkeit erinnerten sich auch andere
Leute und daran, daβ er immer gute Laune verbreitete. Die
Mosesquelle muβ ihm wohl auch ihrer idyllischen Lage
wegen ein besonders lieber Ort gewesen sein. Mit 81 Jahren hat
er 1957 anläβlich "75 Jahre Mosesquelle
Maffersdorf" einen Artikel in die Reichenberger Zeitung
gegeben, dessen letzter Satz lautet: "Hoffen wir, daβ
uns einmal die Stunde der Heimkehr in unsere vielgeliebte
Heimat schlägt, dann wollen wir wieder hinauswandern zur
Mosesquelle und wollen uns laben und stärken für den
Wiederaufbau unserer Heimat." Herr Rudi Peterschilek, ein
ehemaliger "Rübezahler", erinnert sich: "Wo
Herr Matzig einkehrte, wurde er immer freudig begrüβt,
war er doch dank seiner finanziellen Mittel ein groβer
Gönner aller nicht so Bemittelten. Davon profitierte auch die
Wandergruppe "Rübezahl" sehr oft. Lachend konnte er
sagen, daβ sein Geld schon frühmorgens auf dem
Fensterbrettl läge. Er war ein sehr geselliger und
fröhlicher Mensch und überall hoch geachtet; seine Devise:
leben und leben lassen. Er war ein stets gepflegter Herr, der
nach eigener Aussage 60 - 90 Minuten zur Morgentoilette
benötigte, bis er mit seinem Äuβeren zufrieden war.
Fast täglich
spazierte er durch die Natur zum "Lerchenfeld", zur
"Mosesquelle" oder auch zum "Jämmerlei"
nach Kohlstatt."
Wenn ich jetzt
in Gedanken das Album schlie βe
und an den Menschen denke, dem es einst gehörte, dann meine
ich, daβ Emil Matzig am Ende seines Lebens mit Heimweh im
Herzen gestorben ist.
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