HEINL
UND HILDE STRAUHAL
(*1912 und 1914)
Nicht
jedes Talent kommt zur Entfaltung
nach einem
Brief von H. Ressel-Strauhal
Während des
ersten Weltkrieges und in den Jahren danach wuchsen in einem
kleinen Stübchen beim Lobel-Bauern zwei Kinder heran, Heinl
und Hilde. Ihren Vater haben sie nie gekannt, da er schon zu
Beginn des 1. Weltkrieges gefallen war. Mutter Strauhal
arbeitete bei Ginzkey, der Lohn war nicht üppig, und nicht
immer gab es Arbeit. So war es keine rosige, eher eine
armselige Kindheit. Aber sie kannten es nicht anders und waren
glücklich. Austoben konnten sie sich das ganze Jahr über
drau βen
auf den Wiesen, im Sommer trieben sie die Kühe mit auf die
Weide. Da gab es eine groβe Quarkschnitte mit
Butterblümchen mit, und das schmeckte herrlich. Mutter
Strauhal schien es gut zu verstehen, ihren Kindern eine frohe,
unbeschwerte Kindheit zu geben. Wieviel Sorgen ihr es
bereitete und wieviele schlaflose Nächte, das steht auf einem
anderen Blatt. Ob sie sich Trauer und Weh an den Kinderbetten
von der Seele gesungen hat? Beide Kinder erfüllte jedenfalls
von Kindheit an die Liebe zur Musik und zum Singen. So tönte
Hildes schöne Kinderstimme wohl oft über die Wiesen. Pfiff
Heinl, der groβe Bruder, dazu? Oder spielte er damals
schon ein Instrument? Er schien ein Instrument, kaum daβ
er es in der Hand hatte, schon spielen zu können.
Hilde versuchte sich bald an einer Mandoline und begleitete
sich selbst bei ihrem munteren Gesang.
Dr. Molitor
ist - wohl bei seinen Krankenbesuchen - die gute Stimme
aufgefallen. Vielleicht hörte er sie auch, wenn Hilde da und
dort zum Singen aufgefordert wurde. Er erzählte Frau Julia
Culp-Ginzkey von der Begabung des Kindes. Diese lud Hilde ein,
ihr einmal vorzusingen. Man kann sich leicht ausmalen, was das
in der kleinen Stube für Überlegungen auslöste: Das Kind
der armen Kriegerwitwe in der Villa Ginzkey! Nur Flausen in
den Kopf setzen. Brotlose Kunst, woher das Geld nehmen?
Unsereins mu β
früh Geld verdienen! Vielleicht eine Chance? Der Bruder ist
ja auch noch da...usw. usw. Und das Mädchen selbst? Als
erwachsene Frau sagt sie: "Leider habe ich das Angebot
aus Schüchternheit nicht ausgenützt. Man macht halt im Leben
manchen groβen Fehler."
So blieb sie
Laiensängerin aus Leidenschaft und wurde Büroangestellte in
einem Reichenberger Betrieb. "Es waren schöne Zeiten
für mich, aber ich hatte halt wenig Zeit für Besuche in der
Musikschule, und auch finanziell war das nicht zu machen. Doch
gelegentlich stand ich auf der Bühne und habe mit
vorgetragen, da ich immer wieder mal angesprochen wurde",
erinnert sich Frau Hilde Ressel-Strauhal heute. In der
Märchenoper "Schneewittchen" z.B. sang sie die
Hauptrolle und bekam gro βen
Applaus. Heinl, der sich inzwischen Harry nannte, eine
Zeitlang das Maffersdorfer Sudetendeutsche Orchester und den
Gesangsverein leitete und ein Allround-Musiker geworden war,
gab ab und zu mal ein Konzert. Das letzte - wohl ehe er zu den
Soldaten muβte - war dem Komponisten Paul Linke gewidmet.
In diesem Konzert sang seine Schwester als Solistin mit Fredl
Lange ein Lied von P. Linke. Willi Skolaude, ein Freund der
beiden und auch Orchestermitglied, spielte Trompete und ist
manchen Maffersdorfern noch bekannt, da er zum Jahresschluβ
vom Maffersdorfer Kirchturm und abends oft vom
"Wenzeslaus" herunter seine Weisen blies. Harry
Strauhal hat die Musik auch nicht zu seinem Beruf gemacht, er
wurde Graphiker, aber sie blieb Zeit seines Lebens sein groβes
Hobby. In Hamburg leitete er nach dem Krieg ein 80-Mann
Orchester. Hilde heiratete
noch in Maffersdorf Herrn Egon Ressel aus Reichenberg, der
1941 eingezogen wurde und erst 1948 aus englischer
Gefangenschaft kam. Er traf Frau und Sohn in Mecklenburg
wieder. Nach einigen Schwierigkeiten gab es einen Arbeitsplatz
und eine Wohnung in Brandenburg. Es wurde der zweite Sohn
geboren, und "keiner ist musikalisch", bedauert die
Mutter, "aber sie haben uns Freude gemacht, konnten
studieren und sind tüchtige Diplom-Ingenieure für Elektronik
und Informatik geworden."
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