KRIEGSENDE
IN MAFFERSDORF
(Sommer 1945 )
Das
folgende Gedicht wurde von Ernst Siebeneicher 1946 in
Lichtenau bei Neustadt an der Orla geschrieben. Es entspringt
der Verzweiflung, die ein Mensch verspürt, der ein Leben lang
ehrlich gearbeitet hat und mit 75 Jahren um alles gebracht
wird und dann noch "freiwillig - ohne Recht auf
Rückkehr" die Heimat verlassen muβ,
weil er mit seinen Kindern gehen will, um nicht allein zurückzubleiben
mit einem ungewissen Schicksal.
Flüchtlingslos
Fern
der Heimat irrt der Flüchtling
in der Fremde ringsumher,
und die meisten meiner Lieben,
ach, die seh ich nimmer mehr.
Dort,
wo dunkle Wälder rauschen,
dort, ja dort bin ich zuhaus.
Wo
die Neiβe leis sich schlängelt,
steht
mein liebes Vaterhaus.
Alle
Lieben, die dort wohnten,
alle sind verstreut vom Wind.
Keiner
weiβ, wo sie geblieben,
ob
sie noch am Leben sind.
Freudlos
ist mein ganzes Leben,
seit ich in der Fremde bin.
Keiner mag mich hier verstehen,
fühl'
nur, daβ ich Flüchtling bin.
Mürrisch
morgens, mürrisch abends,
mürrisch jedes einzelne Wort.
Keiner mag den Flüchtling leiden,
jeder wünscht ihn wieder fort.
Alles,
was hier wird gestohlen,
hat der Flüchtling nur getan.
Ja, man sieht uns nur als Diebe
und verkomm'ne Menschen an.
Wer
die Heimat nicht verlassen,
wem nicht selber Leid geschehn,
kann die Leiden und die Sehnsucht
eines Flüchtlings nicht verstehn.
Ach,
wie gern wär ich geblieben
und die Meinigen zu Haus.
hätte Ruhe dort und Frieden,
bräucht' nicht in die Welt hinaus.
Doch
das Schicksal wollt' es anders,
irr' nun in der Welt umher,
finde meine teure Heimat
und die Lieben nimmermehr.
Herrgott,
der du bist im Himmel,
hör' mein Bitten und mein Flehn:
Laβ
mich die geliebte Heimat
doch
noch einmal wiedersehn!
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