EINE
ORTSGEMEINSCHAFT –
ÜBER KONTINENTE VERSTREUT
von der Arbeit
der Ortsbetreuer
Der
Initiator der Palmsonntagstreffen
von Margit
Naumann-Lange
In den 50er
Jahren eröffneten die Familien Franz Richter und Adolf Appelt
in Wiesbaden-Rambach ihre Fleischerei und Gastwirtschaft
"Römerburg". Dieses Ereignis und die zentrale Lage
des Ortes in der damaligen "alten" Bundesrepublik
waren wohl der Grund, über ein Heimattreffen in Rambach
nachzudenken. Mein Vater, Willy Lange, schrieb damals
aufbauend auf einer Liste von Herrn Gustav Porsche
(Krankenkasse), des ersten Ortsbetreuers von Maffersdorf, eine
ganze Reihe von ehemaligen Maffersdorfern an. Alle waren von
der Idee eines Palmsonntagstreffens begeistert. Natürlich
kamen in allererster Linie die in der Umgebung von Gie βen
lebenden Angehörigen unserer Gemeinde, aber auch viele aus
dem Rheinland und auch aus Süddeutschland. Baumeister
Porsche, "Pinselporsche", J.V. Knobloch, Familie
Ulbrich aus Freising, Ernst Wittiger, Otto Lammel, die
Familien Seidel und Pöhl (Hotel) waren unter ihnen. Auch der
letzte deutsche Seelsorger von Maffersdorf, Pfarrer J. Augst,
war regelmäβig dabei und hielt traditionell am
Sonntagmorgen in der nahegelegenen Kirche die Messe. 1964
standen 162 Namen auf der Anwesenheitsliste.
Auch in
Rambach begann das Treffen immer am Samstagabend. Es war ein
riesiges Familienfest, zu welchem die Wirtsleute
Richter-Appelt den Saal der Gaststätte zur Verfügung
stellten. Die Küche bot eine besonders auf Maffersdorfer
Gaumen abgestimmte Speisekarte, zu welcher nicht nur
Raucherwürste zählten. Für den Sonntagskaffee gab es von
Frau Ida Richter und ihrer Tochter Gerda Appelt hausgebackene
Kleckslkuchen. Kamen ursprünglich nur die "Alten"
zu diesem Treffen, so zog die Begegnung später auch die
"Jüngeren" in ihren Bann. Als mein Vater sich aus
Altersgründen zurückzog, übernahm Adi Demel die Regie, bis
auch er infolge einer Erkrankung aufgeben mu βte.
Der Grund, weshalb dieses Treffen später nach Gieβen
verlegt wurde, lag darin, daβ eine groβe Anzahl
ehemaliger Maffersdorfer in und um Gieβen eine neue
Heimat gefunden hatte und Adolf Appelt die Bewirtschaftung des
Gasthauses "Römerburg"
aufgab.
Zur
Kaiserkormst nach Waldkraiburg
Nicht, da β
die in Bayern immer eine Extrawurst brauchen, aber viele
Maffersdorfer hatte es in den süddeutschen Raum verschlagen,
und der Weg bis nach Rambach war doch recht weit. Dazu kam, daβ
der Nachfolger von Gustav Porsche in der Ortsbetreuung Erich
Ulbrich in Freising war und die Familie Zappe aus Dörfel
in Waldkraiburg wieder eine Gaststätte betrieb. Den
"Bayern" erschien der 3. Sonntag im Oktober gerade
richtig für ein Begegnungsfest, und so lud Erich Ulbrich
Anfang der 60er Jahre zur "Kaiserkormst", und viele,
viele kamen. Auch unter dem Ortsbetreuer Herbert Müller wurde
dieser Termin und Ort beibehalten. Herr Karl Schwarzbach
verlegte das süddeutsche Treffen dann Anfang der 80er Jahre
aus verschiedenen Überlegungen heraus und nach eingehenden
Beratungen nach Neugablonz. Es wurde das Treffen "Zur
Mafferschdorfer Fohrt".
Diese groβen
Ortstreffen haben durch 4 Jahrzehnte nichts an Bedeutung
verloren, auch wenn die anfangs "Jüngeren" später
die "Alten" waren, und die "Jungen" von
heute in ein paar Jahren die "Alten" sein werden.
Auf der Anwesenheitsliste von 1964 stehen viele Namen von
Maffersdorfern, die auch im Jahre 1996 sich in Gieβen
oder Neugablonz eingetragen haben. Durch zwei Generationen ist
eine Ortsgemeinschaft über
weite Entfernungen bestehen geblieben. Dank allen, die dazu
beigetragen haben.
Der
Schreibtisch wird nie leer
eigene
Erfahrungen
Ich stehe nun
an der 5. Stelle in der Reihe der Maffersdorfer Ortsbetreuer.
Als mein Vater, Herr Karl Schwarzbach, schwer krank den
Anforderungen dieses Ehrenamtes, das er 14 Jahre innegehabt
hatte, nicht mehr gewachsen war, übernahm ich die
"Würde" ohne eine Ahnung von der "Bürde"
zu haben. Diese haben alle meine Vorgänger tapfer getragen,
sie war immer gleich schwer, nur jeweils mit anderen
Schwerpunkten. So hieβ
es am Anfang, die Menschen und Adressen zu sammeln, eine
Kartei anzulegen, zu führen, zu erweitern. Jeder Kontakt,
jede Auskunft und Anfrage muβte schriftlich erfolgen, der
Papiermangel war anfangs groβ, Telefon Mangelware.
Päckchen gingen als Unterstützung an bedürftige, alte,
kranke Maffersdorfer. So steht etwa im April 1969 in der
Reichenberger Zeitung im Bericht über das Palmsonntagstreffen
u.a. "Der Ortsbetreuer Ulbrich gab sodann einen
Rechenschaftsbericht über das verflossene Jahr. 600 Briefe
waren eingegangen und 40 Pakete verschickt worden..."
Dann galt es Zeugen zu finden, um Rentenansprüche zu sichern.
Die Zahl der Teilnehmer an den Treffen wurde erfreulicherweise
immer gröβer, was die Organisation erschwerte. In den
Jahren, als die Ortschaften im Sudetenland immer mehr
verfielen und die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit
ausgelöscht werden sollte, begann die Arbeit der
Dokumentierung der Geschichte und des Verfalls des
Heimatortes. Die Heimatstuben wurden eingerichtet und
kulturelle Zeugnisse aus der alten Heimat gesucht und
gesammelt. Daraus erwuchs auch meine Arbeit an dieser Chronik.
Nach dem Fall der Mauer erweiterte sich die Karteiarbeit auf
einen Schlag. Das bedeutete für mich, daβ ich mich mit
einem Computer anfreunden muβte. Harte Lehrjahre. Jeder
Ortsbetreuer hatte den Kontakt zur Heimatzeitung und die
monatliche Berichterstattung in ihr zu übernehmen. Über
meinen Schreibtisch gehen jährlich jetzt etwa 700
Postsendungen aus und ein. Daran sieht man, daβ der
Arbeitsumfang sich nur wenig geändert
hat. So kann man wohl von einer Bürde sprechen, die viel
Opfer an Zeit und Kraft verlangt. Sie wird erleichtert und
erträglich durch die Freude über das Echo und die Treue der
Maffersdorfer und ihren Zusammenhalt untereinander.
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