Kindheitserinnerungen/ Die Fleischerei Staatz/Richter

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Gleich neben der Apotheke steht das Haus der Fleischermeister Staatz/Richter.

KINDHEITSERINNERUNGEN

aus einem Brief von Frau Erna Plischke geb. Staatz ließen mir das einmal schöne alte Haus, an dem ich auf dem Weg zur Großmutter oft vorbeigegangen bin, so richtig lebendig werden. Außerdem tauchte bei meinen Nachforschungen in der Jägerchronik, der Heimatskunde und den heimatkundlichen Sonderschriften der Name Anton Staatz immer wieder auf (*1849 †1936). Er hat in vielen gemeindlichen Bereichen mitgewirkt und sein Wort und Rat hatten wohl großes Gewicht. Einige Jahre war er auch "Gemeindevorsteher" von Maffersdorf r.N. Bei einer Sitzung des Fortbildungsvereins am 29. Juni 1877 über die Notwendigkeit eines Spar- und Vorschußvereins in Maffersdorf war die Gemeindevertretung erschienen und  "Herr Anton Staatz, Vorsteher von Maffersdorf r.N. hob hervor, daß wohl noch zu wenig Aufklärungsarbeit in der Gemeinde geleistet worden sei.
Ich möchte Auszüge aus dem Brief hier stellvertretend für viele andere Familien zitieren, denn in jedem der vielen Häuser wuchsen damals Kinder in einem großen Familienverband heran, und Ähnliches könnten viele Menschen schreiben.

"Mein Großvater, ein fleißiger Fleischermeister, baute das Haus in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts; zunächst nur mit einem Flügel. Diesem folgte später dann der zweite Flügel parallel zur Straße nach Röchlitz. Der sich bildende stumpfe Winkel wurde ausgefüllt und beherbergte das Geschäft und darüber ein großes Zimmer, das später einmal das Mädchenzimmer für meine Schwester und mich werden sollte. Die sieben Rundbogenfenster sahen zwar von außen schön aus und gaben im Inneren viel Licht, bedeuteten aber viel Arbeit beim Putzen und viele Meter Vorhangstoff wurden verarbeitet. Im Krieg kam dann noch das Verdunkeln dazu... Im rechten Flügel lagen die Räume meiner Großeltern und Eltern, im linken die Gastwirtschaft und im ersten Stock wohnten noch zwei Onkel von mir mit ihren Familien. Gedeckt war das Dach mit Schiefern, die wegen ihrer regelmäßig auftretenden Frostschäden jedes Frühjahr kontrolliert werden mußten, besonders an den Gauben. Später als mein Vater Anton Staatz jun., erst 36jährig, plötzlich verstarb, mußten die Großeltern die Fleischerei wieder übernehmen, das Gasthaus wurde verpachtet. Die Mutter heiratete nach 8jähriger Witwenschaft wieder und die Familie wuchs nochmal um zwei kleine Schwestern. Daß es dann im Haus noch lebhafter wurde, kann man sich vorstellen, denn zu den vier Mädchen und den im Hause lebenden Cousins und Cousinen kamen auch noch die Wagner- und Porschekinder von gegenüber zum Spielen ins Haus. Großvater mochte die Kinder. Nicht nur im Hause, auch auf der angrenzenden Wiese bot sich Platz zum Spielen und Verstecken und in dem parallel zur Bahnlinie befindlichen "Mehrzweckgebäude", der früheren Werkstatt mit Schuppen, Heuboden und Taubenschlag. Einmal soll der Brauereizug in das alte Gebäude hineingefahren sein und man sprach scherzweise vom "Staatz-Bahnhof". Die bereits erwähnte Wiese war ein herrlicher Spielplatz. Die Grube darin war der geeignete Ort für das Wassermann-Spiel: Während der Wassermann unten stand, rief die Meute am 'Ufer': 'Wassermann, könn'mr Fischl fang'n ?' - 'Ja, aber ne neispuck'n !' Wer im 'Teich' gefangen wurde, war dann Wassermann - ein oft endloses Spiel. Auch die ersten Gehversuche auf Skiern wurden hier gemacht. Obwohl streng verboten, benützten wir auch die Bahngleise als Spielplatz. Manchmal legten wir einen Heller auf die Schienen, um ihn plattfahren zu lassen.

Großvater hatte eigentlich Landwirt werden wollen, aber sein Vater bestimmte ihn zum Fleischerberuf, so war das früher. Trotzdem blieb er sein Leben lang 'Hobbybauer'. Mit dem alten Franz bestellte er seine paar Wiesen für die zwei Kühe, die von der Großmutter gemolken wurden. Obwohl Großvater streng war, er mußte ja auf Ordnung achten im Geschäft und in der Familie, hatte er die Enkel und wir ihn ins Herz geschlossen.

Als die Großeltern gestorben waren, bekamen wir ihre Wohnung dazu, so hatten alle genügend Platz und auch das neue Klavier erhielt einen würdigen Standort. Die Eltern waren nun für alles zuständig und es erfuhren nun Geschäft, Haus und Wohnungen eine gründliche Renovierung und Modernisierung. Alles Maßnahmen, die schon überfällig waren, denn Großvater hatte in seinen letzten Jahren nicht viel von Neuerungen gehalten. Er pflegte zu sagen: ' Ei dan Hause bleibt olls su wie's is, su lange ich labe !'

Doch hielt die Freude über all diese Neuerungen nicht sehr lange an, bis die schmerzlichsten Stunden für uns und unser Haus kamen. Am Abend des russischen Einmarsches hörten wir heftiges Donnern gegen die verrammelte Tür, vernahmen das wütende Gebell unseres großen Hundes - und einen Schuß. Das war der Anfang vom Ende eines glücklichen Lebens in diesem Hause.

Beim ersten Besuch in Maffersdorf vor zwanzig Jahren war das Wiedersehen sehr, sehr schmerzlich. Ich brachte es nicht über mich, ins Haus hineinzugehen. Erst jetzt nach den politischen Veränderungen machten wir wieder eine Reise in die Vergangenheit. Diesmal hatte ich den Mut, bei einer Mieterin zu klingeln. Freundlich wurden wir in die Wohnung eingelassen. Wir waren überrascht: Welch ein Gegensatz zum verkommenen Äußeren des Hauses. Wir erfuhren von der jungen Frau (natürlich nun schon die 2. Generation), daß das Geschäft seit kurzem privatisiert ist, und der neue Inhaber auch das Haus (vom Staat) erwerben will und dieses vollkommen renoviert werden soll."

 

 

Copyright © by Inge Schwarz 1993 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND