Firma Carl Wagner & Co.

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Firma Carl Wagner & Co.

Dieses Unternehmen ist neben der Ginzkey - Fabrik der bedeutendste Industriebetrieb Maffersdorfs gewesen. Die Familie Wagner ist mit einem Georg Wagner bereits um 1620 in Maffersdorf nachweisbar. Durch die Generationen waren die Wagners vor dem Fabrikzeitalter Feldgärtner, Leineweber, Zimmermeister, Holzwebstuhlbauer. In der achten Generation beginnt nun meine Geschichte:

Um das Jahr 1850 lebte in Maffersdorf Nr. 44 der Tischler Franz Wagner mit seiner jungen Frau Helena geb. Wundrak. In der Wiege lag der kleine Carl, der Stammhalter, dem dann noch der Bruder Wilhelm folgte. Es war sicher nicht Langeweile, die Frau Helena veranlaβte, in jenen Tagen an einen kleinen Nebenverdienst zu denken. Für 5 Gulden kaufte sie 1851 Wolle und Ziegenhaare ein und verspann sie von Hand zu Leistengarnen, die in der Weberei sehr wichtig waren, band sie in ein Tuch, trug sie nach Reichenberg zum Verkauf ... und löste 6 Gulden dafür ein. Dieses als kleiner Nebenerwerb gedachte Tun regte die unternehmungslustige und offenbar sehr geschickte Frau an, und durch umsichtige Materialauswahl, gleichmäβig gesponnenes Garn fand sie immer mehr Abnehmer. Bald wurden auch gefärbte Garne verlangt. Zu diesem Zeitpunkt gab der Gatte die Tischlerei auf und widmete sich ganz der Färberei und dem Wolleinkauf. Die Aufträge konnten bald nicht mehr im Familienbetrieb allein bewältigt werden. Die Garne wurden nun zunächst in der Nachbarschaft bei Ignaz Möller (neben der Neuwalder Mühle gelegene, auf Franz Elstner zurückgehende Fabrik) im Lohn auf Hanfspinnmaschinen versponnen. 1869 jedoch kauften die Wagners für 15000 Gulden die ganze Fabrik. Nach dem frühen Tode Franz Wagners 1872 wurde von der Mutter der damals 21jährige Carl in die Firma aufgenommen und diese 1873 unter dem Namen

Teppich - und Deckenfabrik Carl Wagner & Comp.

ins Handelsregister eingetragen. Die Weltausstellung in Paris 1878 brachte der jungen Firma die Bronzemedaille ein. Der Grundbesitz des Unternehmens wurde planmäβig erweitert, so daβ sich am Ende die baulichen Anlagen auf Maffersdorf und Proschwitz verteilten; die Postanschrift wurde Proschwitz, zumal sich das erste Proschwitzer Postamt in einem Gebäude der Firma befand. 1881 wurde wegen der nötigen Wasserkraft die Neuwalder Mühle Nr. 36 (Vaterhaus des Dorfchronisten A. Jäger) für 35000 Gulden angekauft und verschiedene weitere Grundstücke in Neuwald zur Sicherung von gutem weichen Quellwasser für die Fabrikation. 1911 wurde eine 600 Meter lange Wasserleitung zur Fabrik verlegt.


Carl Wagner

Aber nochmals ein Stückchen zurück in die Vergangenheit. Als der Absatz an Leistengarnen geringer wurde, dehnte man die Erzeugung auf Flanelldecken aus. Sie wurden auf Handstühlen gewebt und von Hand gerauht. Ebenfalls noch auf Helena Wagner geht die Teppicherzeugung zurück; zunächst auf einem einzigen Handstuhl. Der "Proschwitzer Läufer" - ein sog. Hilversumer Laufteppich - schlug dermaβen ein, daβ 1885 mit dem groβen Neubau für Spinnerei und Weberei begonnen werden konnte. 1887 wurde der erste Dampfkessel mit einer einfachen Dampfmaschine aufgestellt. In dieser Zeit war auch schon der jüngere Sohn Wilhelm als Teilhaber im Betrieb, und um 1890 wurden die Handwebstühle durch mechanische ersetzt. 1900 steht dann das groβe dreistöckige Gebäude.

Ehe die Gründerin Helene Wagner 1911 hochbetagt starb, hatte sie noch erlebt, daβ 1904 und 1907 ihre Enkel Artur und Oskar in die Firma eintraten und ihr Sohn Carl 1906 auf der deutsch-böhmischen Ausstellung in Reichenberg anläβlich der Verleihung der bronzenen Staatsmedaille an die Firma dem Kaiser vorgestellt und der Hoftafel zugezogen wurde. 1907 erhielt er das Ritterkreuz des Fanz-Josef-Ordens für seine Verdienste für die Öffentlichkeit. Seit 1890 durfte die Firma den kaiserlichen Adler im Schilde und Siegel führen. Das Absatzgebiet erstreckte sich über Österreich, Italien, Deutschland, die Schweiz nach Ruβland und Schweden. Die Firma bekam auch die Wirtschaftskrise zu spüren und muβte Kurzarbeit einführen. Das Jahr 1929 brachte den Tod Carl Wagners. 1937 rückten seine Enkel Helmut (Sohn Artur Wagners) und Gerhard (Sohn Oskar Wagners) allmählich in die Firma nach. Nach Ausbruch des Krieges 1939 wurden Heeresdecken erzeugt. Aber Krieg und Zusammenbruch 1945 bedeuteten Niedergang und Ende dieses mit so viel Mut, Tatkraft und Phantasie zur Blüte gebrachten Betriebes. Das Werk wurde (wie alle anderen auch) entschädigungslos enteignet und in "nationale Verwaltung" übergeführt. Die "Verwalter" hinterlieβen aber bald nur noch "Ruinen".


Briefkopf aus dem Jahre 1922

Artur Wagner starb am 26.8.1946 seelisch gebrochen im Flüchtlingslager Pfreimd an Herzschlag, nachdem er noch ein Jahr unter unerträglichen Verhältnissen in Maffersdorf hatte bleiben "dürfen".

Oskar Wagner durfte bei der Vertreibung, wie wir alle 1945/46, 30 kg einpacken, wovon ihm im Laufe der "Ausreise" über Reinowitz und Grottau noch 20 kg und das Bargeld weggenommen wurden, ehe er auf freiem Felde bei Schirgiswalde seinem Schicksal überlassen wurde. Er starb 1967 in Staufen im Breisgau.

Die beiden Juniorchefs Helmut und Gerhard waren in Krieg und Gefangenschaft. Ing. Gerhard Wagner hatte ab 1949 bis zu seinem plötzlichen Tode 1969 in Dormagen in einem Textilwerk der Firma Bayer gearbeitet und zuletzt eine Abteilung mit 200 Beschäftigten geleitet.

Leutnant Helmut Wagner begann nach der Gefangenschaft seine zivile Laufbahn als Deckenweber, Versandleiter, Sprachlehrer, wurde Auftragsbearbeiter in einer Teppichgroβhandlung, Verkaufsleiter in einer Teppichfabrik, Exportleiter in einer Kofferradiofabrik und war vor seiner Pensionierung zuletzt 18 Jahre Prokurist und Exportleiter der Globus - Teppichfabrik in Einbeck.

 

Copyright © by Inge Schwarz 1994 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND