Ministranten
erinnern sich
Ministranten,
die Lausbuben Gottes, sind in jeder Kirchengemeinde eine ganz
besondere Schar. Immer schon wurden sie von den Mädchen
beneidet um ihre "Nähe zum lieben Gott". Jetzt
dürfen sie ja mithalten. Das ist schön und gut so.
Eine ganz
besondere Schar waren sicher auch die Maffersdorfer
Ministranten während des zweiten Weltkrieges. Die Fotos und
Auszüge aus ihren Briefen sollen dies belegen. Natürlich
spielen in den Ministrantengruppen auch Erwachsene eine
wichtige Rolle. Da waren damals die Kapläne von
entscheidender Bedeutung (heute gibt es leider zu wenige),
ebenso der Kirchendiener Pochmann mit seiner Frau und die
Apothekerfamilie Wagner. Dechant Bichler und Katechet Sommer
scheinen geduldig und verständnisvoll gewesen zu sein. Sie
alle kommen in den Erinnerungen vor und diese mögen ein
nachgerufenes "Vergeltsgott" an sie sein - sicher im
Sinne der ehemaligen Ministranten. Ich schöpfe mein Wissen
hauptsächlich aus Briefen von Erich Sedlaty und Dr. Peter
Wagner.
Das Foto vom
Jahre 1940 zeigt Kaplan Ullrich, den Kirchenvater Pochmann und
die zwei Oberministranten Peter Wagner (rechts) und Tonl
Hübner (links). Zu diesen "normalen Zeiten" standen
die Ministranten noch unter der Obhut der jeweiligen Kapläne
(Kühnel, Günther, Langhans, Ullrich). Kaplan Ullrich war der
letzte Kaplan in Maffersdorf. Nach ihm waren die Ministranten
auf sich selbst gestellt, und der dienstälteste wurde jeweils
Ministrantenhäuptling, zuerst Peter Wagner aus der Apotheke,
dann Günther Thürl aus der Lehmgasse. Ministranten waren
damals noch Erich Sedlaty, Herbert Müller, Tonl Hübner
(rechte Hand und Hilfe des Kirchendieners), Ernst Siegmund aus
Proschwitz und Karl Stracke. Die Arbeit der Gruppe wurde im
Laufe des Krieges und der Hitlerdiktatur immer schwieriger,
und die Ministranten zogen sich in die "Katakomben"
der Apotheke zurück. Apotheker Wagner (Jesuitenzögling in
Mariaschein) war ihnen ein aufmerksamer Cerberus und seine
Frau eine fürsorgliche Ministrantenmutter. Günther Thürl
und Karl Stracke studierten nach dem Krieg Theologie und
wurden katholische Pfarrer in Bayern.
Um das Jahr
1943/44 war die Zahl der Ministranten nicht mehr sehr gro β.
Das Foto an der Hausecke hinter der Apotheke zeigt mit der
Brille den Hübner Tonl als Oberministranten und rechts neben
ihm seinen Nachfolger Erich Sedlaty. Die Jüngeren sind
Herbert Müller, Neffe von Pfarrer Augst, und die Brüder Lang
aus Neurode. Tonl Hübner (* 1924) war zu der Zeit Schüler am
Reichenberger Realgymnasium. Von ihm stammt die Karte an den
Bischof, die 1995 auf einem Trödelmarkt auftauchte. Nach dem
Abschluβ der Schule ging er als Sakristan zu den
Redemptoristen nach Philippsdorf. Er wollte Priester werden,
wurde aber noch eingezogen und fiel kurze Zeit später
am 21. August 1944 in Litauen.
Bis zu seiner
Einberufung im Januar 1945 waren Erich Sedlaty die
Ministranten anvertraut. Neben den Ministrantenstunden im
Keller der Apotheke (bei Gefahr klopfte der Apotheker an den
offenen Kamin, und es konnte lange dauern, bis die Luft rein
war) wurden auch noch Fahrten unternommen, z.B. über den
Hemmerich nach Haindorf oder nach Philippsdorf mit
Übernachtung in Georgswalde. Dort entstand das Bild im
Schneegestöber. Bei allen Fahrten war u.a. Frau Wagner dabei.
In Georgswalde hat sie abends vor dem Schlafengehen jedem den
Hals gewaschen. So etwas prägt sich einem Buben sogar über
Jahrzehnte hinweg ein. Sonntägliche Ausflüge führten nach
Kohlstadt, wo jeden Sonntag eine Abendmesse war. Darüber darf
man den Ministrantenalltag nicht vergessen. Wenn man den
Gottesdienstplan von Dechant Bichler anschaut, weiβ
man, daβ die Ministranten oft Dienst hatten. Dazu kamen
die Wege zum Friedhof, zu Kranken und Sterbenden, zu
Hochzeiten und Taufen. Im Siechenhaus waren die Ministranten
nicht nur als Meβdiener bekannt, sondern auch mit ihrem
Kasperletheater gern gesehene Unterhalter. Sie spielten
regelmäβig. Während der letzten Kriegsjahre waren sie
immer der Bespitzelung ausgesetzt und hatten Benachteiligungen
in Kauf zu nehmen. Das alles bindet eng zusammen, und so ist
es nicht verwunderlich, daβ sich die Gruppe nach dem
Krieg wieder zusammenfand und sich auch nach 50 Jahren noch
jedes Jahr einmal trifft. Das erste Treffen fand 1947 in
Hessen statt. Als einige der damaligen Ministranten 1992 bei
einem Besuch in Maffersdorf den bejammernswerten Zustand des
Pfarrhauses, in dem sie früher so oft aus- und eingegangen
waren, sahen, erwuchs spontan die Bereitschaft zu helfen. So
konnte der derzeitige Diakon in den letzten Jahren einen
bedeutenden Zuschuβ zur Sanierung des
Daches und der Innenrenovierung in Empfang nehmen. An anderer
Stelle habe ich schon einmal gesagt, auch Häuser haben
Schutzengel und Nothelfer.
Pfarrer
Josi Augst 1946 mit den letzten deutschen Ministranten. Unter
ihnen sind Herbert Müller, Gisbert und Günther Hübner,
Erwin Möller, Horst Melzer, Rudi Dachmann, Hermann Wundrak
und Theo Puschta zu finden.
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