Eine
lebendige Kirchen-Gemeinde
Im ersten Band
der Chronik haben Sie erfahren, da β
Maffersdorf ein reges Vereinsleben hatte. Das gleiche kann man
auch von weltanschaulichen Gruppen sagen. Ein groβer
Industrieort bringt ein breites Spektrum an
gesellschaftspolitischen Meinungen und Strömungen. So gab es
etwa die Deutschnationalen, die Sozialdemokraten und die
Kommunisten. Aber es gab auch einen festen Kern katholischer
Familien, die sich eifrig und engagiert für kirchliche
Aufgaben einsetzten und sich aktiv im katholischen
Vereinsleben betätigten. Davon soll nun hier die Rede sein,
und ich gebe weitgehend Frau Inge Kahl / Hübner das Wort.
Beleuchtet wird die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Religionsunterricht
war in der Schule Pflichtfach. Er wurde in der Hauptsache von
Katechet P. Karl Sommer und den Kaplänen erteilt. Ersterer
war ein sehr guter Pädagoge und konnte den Unterricht
interessant gestalten und somit auch Kinder aus weniger
religiösen Familien ansprechen. Kapläne sind als
Berufsanfänger jung, begeisterungsfähig, haben neue Ideen
und Freude daran, sie umzusetzen. Das ist für die Jugend
wichtig. Nach 1938 waren Geistliche in der Schule nicht mehr
gerne gesehen. Aber Dechant Bichler hat es wohl irgendwie
fertig gebracht, er hatte ja auch ein Jurastudium absolviert,
daβ
in den Schulen der Maffersdorfer Pfarrei der
Religionsunterricht gegeben werden konnte. Allerdings durfte
die Note nicht im Zeugnis erscheinen. Dafür gab es dann einen
"Ausweis". Aus meinem Religionszeugnis ist
ersichtlich, daβ Dechant Bichler den Unterricht in
Proschwitz übernommen
hatte. Da hatte Maffersdorf keine Kapläne mehr.
Aus der
Gottesdienstordnung von 1923 ist zu ersehen, daβ
die Maffersdorfer die Wahl unter drei Sonntagsgottesdiensten
hatten, die alle immer sehr gut besucht waren. Zur ersten
Messe muβten die Kapläne raus. So früh kamen
hauptsächlich die Hausfrauen. Den Schulgottesdienst hielt
natürlich Pater Sommer für die Kinder. Das Amt, an Festtagen
Hochamt mit Chor und Musik, zog die Besucher schon wegen der
guten Predigten von Dechant Bichler an. Im Mai war jeden Abend
Maiandacht mit Predigt und meistens musikalisch gestaltet von
Reichenberger Sängerinnen und Sängern, dem Kirchenchor oder
dem Streicherduo Melzer - Sluka (Geige und Cello). Gute
Maffersdorfer Sänger waren Didi Müller, Herr Pekarsch, der
dann zur Operette ging, und der aus Proschwitz stammende
"lange" Lang, der auch bei Theater- und Singspielen
des Volksbundes mitwirkte. Organist und Chordirigent war Herr
Rigobert Klier, der mit dem Chor viele Messen einstudierte.
Festgottesdienste gestaltete er mit groβer Übersicht
samt Orchester und Chor, erinnert sich Dr. Peter Wagner, der
sein Klavier- und Orgelschüler war, und er schreibt:
"Ich werde ihn als meinen Meister nicht vergessen. Was er
mir als Musiker - nicht nur in der sakralen Musik -
beibrachte, steckt heute noch in mir." Während des
Krieges wurde Herr Klier eingezogen. Da sprangen Herr Rösler
aus Reinowitz und Peter Wagner, wenn er vom Studium in Prag
nach Hause kam, ein, die Lücke zu füllen. Inge Hübner
erlernte damals auch das Orgelspiel und übernahm den
Organistendienst in den Nachkriegsjahren bis zu ihrer
Vertreibung.
Sie gründete
einen anfangs 15 - 20 Mädchen starken Kinderchor, dessen
Stützen eine andere Inge Hübner (Sopran) und Christl
Preisler (Alt) waren. Natürlich wurden zwischen 1945 und 1947
"Die Sängerlein" immer weniger. Das Foto stammt von
1946 und zeigt vor Pfarrer Augst und der Leiterin Doris
Dachmann, Helga Ludwig, Lydia Reinisch, in der ersten Reihe
Erika Knapp, Liesl Müller und Eva Ludwig. Man braucht nicht
zu betonen, wie wichtig die jungen Stimmen in der damals so
schlimmen Zeit waren. Erhard Zloch aus Neurode unterstützte
und ergänzte mit seinem feinen Violinenspiel.
Alle paar
Jahre war auch Volksmission, die letzte wohl 1936, bei der es
den gröβeren
Kindern besonders der Redemptoristenpater Richter aus Grulich
angetan hatte. Da waren sie dann eifrig und fehlten eine Zeit
lang bei keiner Schulmesse, die zweimal wöchentlich
um 7.15 Uhr vom Katecheten Sommer gehalten wurde.
Hier soll auch
noch der drei Schwestern Hedwig, Anni und Maria Stasny gedacht
und gedankt werden. Ohne sie ist die Kirchengemeinde
Maffersdorf nicht denkbar. Ihr Leben gehörte dem Dienst in
der Kirche, damit ist der Kirchenraum gemeint, den sie
pflegten und schmückten, und sind die Menschen gemeint, die
Kommunionkinder, die Streuengel, die Kranken und die Alten.
Wenn immer sie gebraucht wurden, waren sie da. Nach 1945
pflegten und gossen sie bis zu ihrem Tode viele Gräber der
vertriebenen Deutschen. Sie hatten Helfer und haben Nachfolger
unter den verbliebenen Deutschen bis heute. Es möge keiner
den Weg und die Anstrengung unterschätzen, wenn man diesen
Liebesdienst mit mehr als 80 Jahren noch tut.
Maria
(1884-1972) Hedwig (1898-1975)
Anna (1900-1972)
1968 schrieb
Hedwig Stasny in einem Brief: "... Ja, mit der
Einführung des neuen Gottesdienstes ist es so: man muβ
sich eben erst daran gewöhnen,
und mit der Zeit findet man sich schon zurecht. Aber ein
Übergang ist es eben, und ältere Menschen finden sich
schwerer zurecht. Sie sind an das Alte gewöhnt. Auch macht es
bei uns eben alles schwerer durch die beiden Sprachen: früher
deutsch und lateinisch, dann tschechisch und lateinisch. Weil
aber jetzt die lateinische Sprache wegfällt und alles in der
Landessprache gehalten wird, fällt es ihnen schwerer.
..."
Eine kleine,
treue Schar hat durchgehalten, bis die Zeit für die Kirche
wieder besser wurde. Ihnen ist wohl auch der Erhalt des
Gotteshauses mit zu danken, denn ohne Beter und
Gottesdienstbesucher verfällt jede Kirche.
In dieser
Kirche haben wir geheiratet.
Das können viele Maffersdorfer in Erinnerung sagen..
14. August 1934
Hochzeit der Bulirsch Töchter Martha (Hauser) und Ida
(Möller)
Hochzeit 1947:
Alois Janosch und Hilde Janosch geb. Möller
Erstkommunion,
Firmung und Fronleichnam waren in Maffersdorf gro βe
Feste.
Firmung
1929: Bischof Groß
Gottesdienst und Firmung vor der Kirche
Firmung
1934: Empfang von Bischof Weber
Erstkommunion
1937 mit Kaplan Kühnel
Helfer
bei der Kommunionvorbereitung waren immer neben Katechet
Sommer
Hedwig Stasny, Herbert Müller und Marie Bulirsch
Erstkommunion 1941 mit Kaplan Ullrich
Wem klingt nicht noch
unser Fronleichnamslied in den Ohren?
O Engel Gottes
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Streuengel
bei der Fronleichnamsprozession |
Das
Fronleichnamsfest war ein Ereignis, an dem die Mädchen den
Jungen was voraus hatten: Sie durften Streuengel sein. Selbst
in der Familie drehte sich in den Tagen alles um die Mädchen.
Ja, das war schon etwas Besonderes. Tage vorher wurden eifrig
von der Wiese und aus Gärten Blumen geholt und im Wasser
frisch gehalten. Das Körbchen, in das die Blütenköpfchen
oder Blütenblätter kamen, wurde schön geschmückt. Aber das
Wichtigste war ja dann das Engelchen selber; Haare waschen,
Locken drehen, das Kränzchen und das weiβe
Kleid anprobieren. Kaum, daβ ein Mädchen laufen konnte,
wollte es da mit. Die Kleinsten wurden von Mutter, Tante oder
Schwester herausgeputzt. Die Gröβeren brachten schon
ihre eigenen Ideen und Kräfte ein. Und dann die groβe
Sorge: Werden die Blüten
auch reichen für den langen Weg? Aber Mutter hatte in einer
Tüte Blüten in Reserve. Nun, nur ja nicht hinfallen oder das
Kleidchen schmutzig machen. Hoffentlich kam einem kein böser
Junge in die Quere! Welches Mädchen könnte nicht all die
Sorgen verstehen! Die Schwestern Stasny und Bulirsch hatten
alle Hände voll zu tun, die Engel auf dem irdischen Weg in
die richtigen Bahnen zu geleiten.
Auf den Fotos
von 1948 sind nicht nur der schöne, wertvolle Chormantel und
die kostbare Monstranz unserer Kirche zu sehen, sondern ein
Brauch, den ich sonst nirgends sah: der Altardienst trug ein
Vergi βmeinnichtkränzchen
um das rechte Handgelenk.
Vor 1938
führte der Weg der langen Fronleichnamsprozession von der
Kirche zum Günthel-Klempner, zum Kino, an der Neiβe
entlang, zur Kastanienallee an der Spinnerei und den Kirchberg
wieder hinauf zur Kirche. Die drei Altäre unterwegs waren
prächtig hergerichtet. Als 4. Altar diente dann der Hochaltar
in der Kirche. Musik, Fahnen, Vereine, Streuengel, Jungfrauen,
... Ja, und der Himmel mit dem Allerheiligsten! Welch eine
Ehre für Haus und Familie, wenn der Vater oder Groβvater
Himmelträger war! So schnell gab man die "Säule des
Himmels" nicht aus der Hand. Der alte Walterbauer
begleitete die Monstranz 38 Jahre, bis er sein Amt an den
Enkel weitergab. Adolf Glaser, Tischlermeister neben der
Linkser Turnhalle, trug den Himmel ebenfalls länger als drei
Jahrzehnte, bis er ihn schlieβlich zu Fronleichnam 1943,
bereits von Krankheit gezeichnet, das letzte Mal trug. Seine
Tochter, Frau Hedwig Brosche, blieb immer in der Nähe, und
als er bei der letzten Station fast zusammenbrach, sprang sie
schnell ein und trug ein kurzes Stück mit ihm zusammen. Aber
lange durfte das damals eine Frau noch nicht tun, schnell
sprang ein Mann ein. Herr Glaser starb im Januar 1944 neben
seiner, noch kurz vor Weihnachten mit letzter Kraft
aufgebauten groβen Krippe.
In den letzten
Kriegsjahren war nur noch der Weg um die Kirche gestattet.
Am Ende dieses
Kapitels möchte ich nicht versäumen, des letzten
langjährigen Kirchendieners zu gedenken. Was wäre eine
Kirche und Pfarrei ohne seinen Mesner, der meistens mit seiner
Frau zusammen die viele, oft unbemerkbare Arbeit tut, damit in
der Kirche alles seinen rechten Gang gehen kann. In unserem
Fall war es das Ehepaar Pochmann. Herr Pochmann war von Beruf
Schneider, das ist ihm bei den vielen Ministrantenkleidern
sicher zugute gekommen. Man muβ
ja bedenken, daβ die Ministranten damals viel und bei
jedem Wetter unterwegs waren; man denke nur an die weiten Wege
bei Beerdigungen, solange es noch kein Leichenhaus gab und der
Tote vom Haus weg zum Friedhof geleitet wurde, an Prozessionen
und Bittgänge. Und das Glockenläuten! Das geschah damals
noch von Hand, und man muβte jedesmal in den Turm hinauf:
Man läutete
dreimal täglich zum Angelus, zur Schulmesse, zu drei
Sonntagsgottesdiensten, zu den Andachten und wenn jemand
gestorben war. Wenn die Ministranten einmal helfen durften,
merkten sie erst, was das für eine Arbeit war, die viel Kraft
und Können verlangte, damit das Geläut auch stimmte.
In der alten
Jägerchronik werden die Kirchendiener oder Mesner, wie wir
heute sagen, Kirchenvater genannt. Den Ausdruck finde ich
schön und er hätte sicher auch auf Herrn Pochmann gepa βt.
Seine Frau als "Kirchenmutter" paβte wohl
ebenfalls. Wann sie ihren Dienst begannen, konnte ich nicht
feststellen, auch nicht, wer
ihre Vorgänger waren.
Jäger führt
die ersten Kirchenväter auf, "so weit sie aufgefunden
wurden":
Gabriel
Wünsch (1742-1767),
Franz Wagner,
Josef Reichelt (bis 1772),
Franz Möldner ( gest.1809),
Gottfried Hauser (1810-1825),
Ignaz Hauser (1825-1830),
Gottfried Hauser (1830-1844),
Franz Körber (1844-1859),
Eduard Körber (1859-1861),
Johann Ilchmann.
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