DER
WOJNER-NAZ
( um 1850 )
Die
Geschichte vom Goldenen Kreuz
von Alfred
Appelt
Das Haus Nr.
41 in Maffersdorf wurde erst im Jahre 1862 erbaut, weist also
kein zu gro βes
Alter auf. Es steht auf den Gründen
der ehemaligen Wirtschaften Nr. 128 und 42, die bis ungefähr
1785 zusammengehörten. Der einzige Sohn des ersten Besitzers
der westlichen Hälfte (Nr.128) war Franz Anton Appelt
(1788-1877). Von seinen 9 Kindern blieben 5 am Leben:
Magdalena ehelichte 1835 den Franz Hauser, Karoline zwei Jahre
später den Ignaz Halbig. Anton Adolf war der spätere Lehrer
von Maffersdorf, Oberlehrer von Proschwitz und Direktor der
Neustädter deutschen Volksschule in Prag. Sein Bruder Franz
heiratete 1854 Barbara Lange. Das jüngste Kind, die 1827
geborene Anna, wurde 1850 die Frau des Wagnermeisters Ignaz
Appelt aus Proschwitz. Von ihm soll hier die Rede sein.
Dieser Ignaz
Appelt ist der Erbauer des Hauses Nr. 41 und der Begründer
der darin betriebenen Gaststätte. Er war von Beruf
Wagnermeister, übersiedelte nach seiner Hochzeit am 17.
September 1850 nach Maffersdorf in das Haus Nr. 35 und übte
dort sein Gewerbe aus. Damals hatte sich der Übergang der
Gemeinden aus den ehemaligen bedrückenden
Herrschaftsverhältnissen der hochgräflichen Grundobrigkeit
in selbstverwaltete Gemeindewesen eben vollzogen, und damit
waren eine Menge hemmender Schranken auch im Gewerbewesen,
insbesondere in bezug auf freien Wettbewerb, gefallen. Sehr
augenfällig zeigt sich dies auch im Gastgewerbe. Während bis
1850 im Orte Maffersdorf rechts der Nei βe
ein einziges Gasthaus, die Scholzerei, genannt "Zur Stadt
Paris", bestand, ja ausschlieβlich bestehen durfte,
finden wir 1857 schon folgende Gasthäuser
als neu errichtet: Josef Tandlers "Goldener Stern"
und Franz Ehrlichs "Zur Stadt New York". Dazu kamen
noch die Bier= und Branntweinschänken von August Stumpfe (Nr.
16), Wilhelm Rösler (Nr. 55), Wenzel Wondrausch (Nr. 193),
Josef Linke (Nr. 116) und Stephan Lange (Nr. 118). Auch Ignaz
Appelt schien zu glauben, mit dem Betrieb einer Gaststätte
sei ein leichteres Fortkommen zu finden als bei dem ehrsamen
Handwerke der Wagnerei.
Seine Absicht
sollte sich aber nicht so schnell verwirklichen, als er
dachte. Zu Beginn des Jahres 1857 richtete er das erste
Ansuchen, betreffend die Bewilligung zur Errichtung eines
neuen Gasthauses, an die Bezirksbehörde in Reichenberg. Diese
übermittelte das Gesuch an die Gemeinde zur Begutachtung.
Deren Antwort, datiert vom 11. April 1857, fiel aber höchst
ungünstig für den Bewerber aus. Zunächst wird darin
festgestellt, da β
in der Gemeinde Maffersdorf rechts d. Neiβe bei 147
Häusern bereits 8 Bier= und Branntweinschankhäuser bestehen,
mithin auf 18 Häuser eine Schankbefugnis komme. Ferner sei
Ignaz Appelt nach Proschwitz zuständig, sei kein gelernter
Gastwirt, sondern Wagnermeister, habe die Realität Nr. 35
(damals stand noch das alte Haus), die sich in keiner Weise
zum Gasthausbetrieb eigne, nur gepachtet und schlieβlich
werden noch die persönlichen Eigenschaften sowie die nötigen
Geldmittel in Zweifel gezogen. Das Ansuchen wurde daher
abgelehnt. Appelt war aber nicht der Mann, sich dadurch
einschüchtern zu lassen. Er legte Berufung ein und trachtete
den Hauptvorwurf (ungeeignete Lokalitäten) aus der Welt zu
schaffen. 1861/62 errichtete er auf dem Grunde seines
Schwiegervaters Franz Anton Appelt das Haus Nr. 41 an der
Reichsstraβe Reichenberg - Gablonz und erhielt mit
Entscheidung vom 8. Oktober 1861 die behördliche Bewilligung
zur Eröffnung eines Gasthauses. Es handelte sich nun darum,
der Neuschöpfung einen Namen zu geben. An Stelle des
erwähnten Hauses stand seit 1790 ein einfaches Feldkreuz aus
Blech auf einem steinernen Sockel. Es wurde im genannten Jahre
vom Groβvater der Anna Appelt und Wagnermeistersgattin,
dem Handbauern Anton Appelt aus Nr. 128 (er lebte 1762 -
1839), errichtet und beim Baue von Nr. 41 entfernt. Da dieses
Kreuz ein sogenanntes Stationskreuz war, bei dem anläβlich
der Markusprozession Andachten verrichtet wurden, wendete sich
das hiesige Pfarramt an die Behörde und betrieb die
Wiederaufstellung. Hiezu wollte sich aber weder der damalige
Eigentümer von Nr. 128 Franz Appelt, der Schwager Ignaz
Appelts, noch dieser selbst als der neue Bauherr verstehen.
Einer schob dem anderen die Verpflichtung zur
Wiederaufstellung zu, und es entstand ein unliebsamer Streit,
der bis zum Jahre 1866 dauerte. Anton Adolf Appelt, der Bruder
und Schwager, damals Oberlehrer an der Proschwitzer Schule,
machte endlich dem Hader ein Ende und lieβ auf seine
Kosten das erwähnte Kreuz herrichten und im Hausgarten von
Nr. 41 an der Straβe aufstellen. Es wurde am 7. Mai 1866
feierlich eingeweiht.
Ignaz Appelt
aber wählte das in neuem Glanze strahlende alte Wahrzeichen
zum Sinnbilde für seine neue Gaststätte und nannte sie
"Zum Goldenen Kreuz". Der Volksmund allerdings ging
eigene Wege. Er nahm den Vornamen des Eigentümers Ignaz (Naz),
dann sein Gewerbe (Wagner = mundartlich Wojner) und bildete
daraus das klangvolle Wort "Wojnernaz", unter
welchem Titel sich das neue Gasthaus bald in der näheren und
weiteren Umgebung bekannt machte. Ignaz Appelt, der nebenbei
in einem kleinen Werkstattgebäude hinter dem Gasthause seine
Wagnerei weiterbetrieb, hatte noch grö βere
Pläne.
Maffersdorf
rechts d. Nei βe
entbehrte noch eines gröβeren Lokales zur Abhaltung
bedeutenderer Veranstaltungen und Festlichkeiten, wie es die
Schwestergemeinde Maffersdorf links d. Neiβe seit 1863 in
der nach einem Brande neuaufgebauten "Schänke" besaβ.
Wohl bestand der Saal der Scholzerei im ersten Stock von Nr.
47 (erbaut um 1830), aber auch er entsprach nicht gröβeren
Anforderungen, und die beiden anderen kleineren Säle
"Stadt New York" und "Goldener Stern"
kamen schon wegen ihrer Entlegenheit nicht in Betracht. Bei
der rasch ansteigenden Bevölkerungszahl, hervorgerufen durch
die aufstrebende Industrie und das gedeihliche Anwachsen des
Ignaz Ginzkeyschen Fabrikunternehmens, war die Erbauung eines
groβen Saales ein wirkliches Bedürfnis geworden. Das war
der Plan Ignaz Appelts, und ein günstiger Umstand kam ihm
zuhilfe. Der Fabrikant Ignaz Ginzkey war schon seit Jahren
bemüht, sich einen gröβeren zusammenhängenden
Grundbesitz zu schaffen und erwarb nach und nach die
Bauerngüter, deren Gründe sich von seinen Fabriken
nordwärts bis an die Harzdorfer Grenze zogen. Dazu gehörte
auch das Scholzengut Nr. 47, ja dieses bildete so recht
eigentlich den Schluβstein, dessen Erwerbung durch Ignaz
Ginzkey vorauszusehen war. Ebenso war aber auch damit zu
rechnen, daβ in diesem Falle die Tage des alten
Scholzereigasthofes gezählt
waren, denn die Firma beabsichtigte nicht, das Gasthaus weiter
zu betreiben, sondern gedachte das Haus für Wohnzwecke
umzubauen. 1876 erfolgte die Erwerbung seitens der Firma und
damit die Auflassung des Gasthauses "Stadt Paris"
nach mindestens 329jährigem Bestande.
Ignaz Appelt
sah diese Entwicklung voraus und erbaute im Sommer des Jahres
1875 auf anschlie βendem
Grunde aus Nr. 42 einen groβen hohen Tanzsaal,
dergleichen es weit und breit auf den Dörfern der Umgebung
nicht gab. Am 9. Oktober 1875 wurde der neue Saal durch den
Ball des Veteranenvereins festlich eröffnet. Eine schmucke
Veranda verband das Gasthaus mit dem Saale und diente bei gröβeren
Veranstaltungen als Kleiderablage. In den folgenden
Jahrzehnten verlief wohl kaum ein Jahr, in welchem nicht eine
oder mehrere groβe Veranstaltungen bei "Wojnernazn"
stattfanden. Um nur einiges hervorzuheben: Am 19./20. August
1876 der 7. Gaufeuerwehrtag mit einem Besuche von 1000
Wehrmännern und 4 - 5000 anderen Festgästen, am 28. Juli
1878 die erste Schüleraufführung "das Schulfest"
unter Leitung des Oberlehrers Josef Fischer, am 22. Juli 1883
Gautag des "Sängerbundes" des Jeschken-Iser-Gaues
mit 750 aktiven Sängern. Ferner fanden ungezählte
Versammlungen, Wahlen und Bälle aller Art hier statt. Der
älteren Generation seien die vom Sängerbund veranstalteten
Ballfeste unter dem Titel "Jahrmarkt in Juxhausen",
"Nacht in Venedig", "Waldfest",
insbesondere aber das unter der Leitung von Richard Nöhrig
1897 durchgeführte "Fest am Nordpol" in Erinnerung
gebracht. (Ob der groβe Fisch im Heft 2 Gewerbe und
Industrie
S. 30 dabei eine Hauptrolle spielte? Anm. d. Verf. d. Chronik)
Zahlreiche Konzerte und Theateraufführungen fanden hier eine
geeignete Stätte. Auch bekannte Politiker hielten hier ihre
Reden.
Ignaz Appelt
hatte mit seiner Frau Anna 7 Kinder. Das 5. Kind war Anna
Karoline, geboren 1862. Sie heiratete 1883 den in Reichenberg
geborenen Ferdinand Tugemann, einen späteren Beamten der
Firma Ginzkey, und starb 1932 in Maffersdorf Nr. 307. Anna
Appelt, die Wirtin des "Goldenen Kreuzes", verschied
am 17. Mai 1891 infolge eines Schlaganfalles. Die joviale alte
Frau steht dem Schreiber dieser Zeilen noch lebhaft vor Augen,
war sie doch seine liebe Tante, die für den kleinen Neffen
immer etwas übrig hatte. Was gab es aber auch in dem
ausgedehnten Betriebe alles zu sehen ? In der kleinen
Werkstatt im Hof lehnten die abgeschälten Stämme
ausgesuchter Buchen, Birken und Eschen, die zur Wagnerarbeit
gebraucht wurden. An der Schnitzelbank arbeiteten die beiden
Söhne, der ernstere Ignaz und der immer lustige Emil, beides
übrigens tüchtige Musiker, denen auch die 1886 erfolgte
Gründung des Maffersdorfer Musiker-Vereins zu danken ist. In
der Küche des Gasthauses fesselte der gewaltige Ofen mit drei
Feuerungen die Aufmerksamkeit, und hatte man endlich auch den
hohen, kühlen Saal in allen Winkeln und Einzelheiten
besichtigt, so wartete schon eine prächtige Quarkschnitte als
Abschluβ
aller Genüsse.
Der alte "Wojnernaz" starb am 9. Jänner 1896,
nachdem sich vor etwa Jahresfrist sein Sohn Emil in einem
Anfalle von Schwermut selbst das Leben genommen hatte.
In der Folge
kam es zu Meinungsverschiedenheiten wegen der Übernahme des
Besitzes, in deren Verlaufe schlieβlich
der Sohn Ignaz Anton die väterliche Scholle verlieβ und
im Hause Nr. 44 - also in unmittelbarer Nachbarschaft - ein
eigenes Gasthaus einrichtete und das väterliche Handwerk der
Wagenbauerei daselbst weiterführte. (In diesem Haus kam 1898
Konrad Henlein* zur Welt) Den
Gasthof übernahm der Schwiegersohn Ferdinand Tugemann und
führte den Betrieb teils durch Pächter, teils durch die
eigene Familie. 1901 wurde anstelle der ehemaligen Werkstatt
ein kleines Wohngebäude, Nr. 307, aufgeführt. Da die Firma
Ignaz Ginzkey nicht gerne sah, daβ einer ihrer Beamten -
F. Tugemann leitete die wichtige Abteilung der
Teppichknüpferei - als Gastwirt sich betätigte, entschloβ
sich Tugemann zum Verkauf des Besitzes. 1912 ging das Anwesen
an den Verein "Arbeiterheim" über,
der es um den Betrag von 64000 tschech. Kronen erstand. Die
Familie Tugemann behielt das Wohnungsrecht in Nr. 307.
Der Verein
"Arbeiterheim" bestand bereits seit dem Jahre 1908
und nahm, der Unterstützung ihrer Parteigenossen, der
sozialdemokratischen Arbeiterpartei, sicher, die bedeutende
Last auf sich, und es gelang ihnen, das Unternehmen auf stetig
steigende Höhe zu bringen. Als Mittelpunkt ihrer Organisation
im Landbezirke Reichenberg fanden alle gröβeren
Veranstaltungen parteipolitischer und gesellschaftlicher Art
im "Arbeiterheim" statt. Es ist zu verstehen, daβ
das alte Wahrzeichen, das goldene Kreuz, vor dem Hause den neuen
Besitzern bei ihrer gegensätzlichen Einstellung ein Dorn im
Auge war. Sie wandten sich daher an das Pfarramt mit dem
Ersuchen um Entfernung. Das Kreuz wurde daraufhin nach Neurode
in die Nähe des Hauses Nr. 171 übertragen.
Da die
Gasträume des alten Hauses den gesteigerten Anforderungen in
keiner Weise mehr entsprachen, auch Baufälligkeit
festgestellt worden war, wurde das alte Haus nach 67jährigem
Bestande 1928 abgetragen und durch den hiesigen Baumeister
Josef Porsche ein neues zweckmäβiges
Haus errichtet, das wohl die modernste Gaststätte des Ortes
darstellt und auch äuβerlich der ganzen Umgebung zur
Zierde gereicht. Aber die Erbauer hatten sich dabei doch
zuviel zugemutet. Die allgemeine Krise setzte knapp nachher
ein, der Besuch lieβ nach, dazu kamen
innere Streitigkeiten und eine gewisse Parteimüdigkeit. Das
Unternehmen geriet in immer drückendere geldliche
Schwierigkeiten. Trotz aufopferndster Mitarbeit der Mitglieder
blieb endlich nur noch die Versteigerung. Am 6. März 1936
erstand die kathol. Pfarrgemeinde das "Arbeiterheim"
um 470.000 Kronen und machte es wieder zum "Goldenen
Kreuz".
Alfred Appelt
schlieβt
ca. 1938 seinen Bericht mit dem Satz: "Möge
den neuen Besitzern ein günstiger Stern dauernd
leuchten!"
)* Konrad
Henlein ist eigentlich kein Maffersdorfer, denn er lebte
nur als kleines Kind in der Appelt Wagnerei, wo die Familie
Henlein wohl eine Wohnung gemietet hatte. Vater Konrad Henlein
sen. wird in den Arbeiterlisten der Firma Ginzkey von 1889 -
1893 als Buchhalter in der Kunstwolleabteilung geführt. Die
Familie übersiedelte über Linz, Wien und Znaim nach
Reichenau. Der Sohn besuchte die Handelsakademie in Gablonz
und arbeitete in der Sparkasse. Im ersten Weltkrieg war er
Soldat und in italienischer Gefangenschaft. 1925 gab er seine
Anstellung bei der Sparkasse auf und widmete sich ganz dem
Turnen als Turnlehrer beim Ascher Turnverein. 1931 wurde er
Verbandsturnwart des "Deutschen Turnverbandes" in
der Tschechoslowakei. Er gründete im Oktober 1933 die
Sudetendeutsche Heimatfront und setzte sich für die Autonomie
der Deutschen in der Tschechoslowakei, 1938 für den Anschluβ
der
sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich ein. Nach dem
Münchner Abkommen wurde er Gauleiter im Sudetenland und 1939
Reichsstatthalter. Am 30.4.1945 beging er in einem allierten
Lager Selbstmord, von den Tschechen war er 1945 zum Tode
verurteilt worden.
(Quelle: Butschek und Brockhaus)
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