Prof. Dr. Ing. h.c. Ferdinand Porsche

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FERDINAND PORSCHE
( 1875 – 1950 )

Ein Wanderer in der großen Welt der Wissenschaft
nach Fritz Feigl

 

Über Porsche ist so viel geschrieben worden, und die Blickwinkel aus denen man sein Leben betrachten könnte, sind so vielfältig, daβ ich mich entschlossen habe, ein kleines Kapitel aus dem Roman "Herr seiner Welt" von Hugo Scholz hier als Beitrag zu diesem Heft zu wählen. Im Waschzettel des Adam Kraft Verlages, in dem das Buch erschienen ist, heiβt es: "Dieser, nach Aussagen von Zeitgenossen des groβen Erfinders und Konstrukteurs geschriebene Roman, zeigt uns vor allem den Menschen Porsche, der durch seine technische Begabung einen märchenhaften Aufstieg nahm: Er stieg in kurzer Zeit vom Klempnerlehrling zum Generaldirektor der gröβten österreichischen Automobilwerke empor, wurde Doktor Ing. h.c. und Professor, auch sonst mit Ehrungen überschüttet, die ihm seine einzigartigen Konstruktionen einbrachten, deren bekannteste der Volkswagen ist. ... Das Buch läβt erkennen, daβ Ferdinand Porsche zwar der groβen Welt gehörte, aber auf einem kleinen Flecken Erde wurzelte, aus dem er seine Kraft bezog.

Wer weiβ heute noch, daβ Ferdinand Porsche zu den Pionieren des Motorfluges gehörte und für Luftschiffe die Motoren baute, daβ er ein erfolgreicher Rennfahrer und Flieger war, daβ er in den zwei Weltkriegen groβe technische Aufgaben zu erfüllen hatte? Er erfand geländegängige Zugwagen für schwerste Lasten und für die riesigen Mörser des ersten Weltkrieges, entwickelte Panzer, u.a. Leopard, Tiger und Maus, und erfand die Drehstabfederung, die in vielen Autotypen eingebaut wurde. Das Fazit dieses Erfinderlebens: 400 Patente und die Millionen Volkswagen auf allen Straβen der Welt."

Nun zum Kapitel 25 des Romans.

In Wien erschien Ferdinand Porsche bei einem Kränzchen, das von seiner Firma bei Ronacher veranstaltet wurde, mit Louise Kaes. Es war das ein öffentliches Bekenntnis: wir sind ein Paar. Bald darauf fragte er sie: "Magst mit nach Böhmen fahren, Louis? Ich möchte dich nun auch gern meinen Eltern vorstellen." Natürlich wollte Louise mitkommen. Mutter Kaes aber sagte: "Mit so einem Vehikel! Wenn das nur kein schlechtes Zeichen ist. Mit dem bleibt ihr doch irgendwo stecken."

Die beiden jungen Leute aber wollten sich nicht abhalten lassen. Der Mixtwagen sollte auf einer Tourenfahrt eine Bewährungsprobe bestehen, und Porsche wollte das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.

"Maffersdorf! Dieses Nest kennt doch kein Mensch", sagte Herr Lohner, sein Chef. "Es muβ doch nachher in die Zeitung, Porsche. Da muβ es heiβen Prag oder Salzburg oder München. Aber nicht Maffersdorf, wo sich die Füchse gute Nacht sagen."

"Dort geschieht etwas ganz anderes, Herr Lohner. Zum Beispiel hat sich der Kaiser von Maffersdorf Teppiche bestellt, auch der englische König, der russische Zar und viele Fürstenhäuser. Vielleicht haben Sie sogar selber einen von dort, Herr Lohner. Oder einen Lüster aus Gablonz, das ist der Nachbarort. Das kann ruhig mit in die Zeitung kommen. Und daβ ich dort daheim bin, das kann auch ein jeder wissen, oder soll ich mich vielleicht schämen, daβ ich ein Maffersdorfer bin?"

"Machens halt wenigstens einen Abstecher nach Reichenberg, Porsche, und schickens von dort eine Depesche, wies ankommen sind!"

Die Polstertür fauchte, als Porsche sie hinter sich zuzog. Wo die junge Neiβe rann, blieb für ihn die Heimat, auch wenn sie auf der Landkarte noch so klein oder gar nicht verzeichnet war. Kein anderer Ort auf der ganzen Welt war für ihn so viel wie dieser Marktflecken, den sie durchfloβ. Der Mixtwagen stand startbereit. Die Fahrt ging zunächst in die Wiedener Hauptstraβe zum Haus Nr. 42. Hier waren schon seit Tagen Reisevorbereitungen getroffen worden. Mit einem neumodischen Automobil durch ganz Böhmen war an und für sich eine aufregende Sache, noch dazu ins Haus der Schwiegereltern. Mutter Kaes setzte mit Humor ihre Tochter in das Vehikel hinein, das allsogleich davonpuffte. Auf den hinteren Sitz hatte sie im stillen gleichsam einen Schutzengel plaziert, der würde schon dafür sorgen, daβ alles gut ging.

Wien blieb hinter den Autoreisenden zurück. Es ging nach Mähren hinein, Ferdinand sah es mehr an den Straβen als an den Ortsschildern. Die Kutsche war nicht besser gefedert als eine, an der Pferde vorgespannt sind, sie fuhr nur schneller und rumpelte dementsprechend stärker, daβ Aloisia Johanna manchmal meinte, Herz und Lunge würden ihr aus dem Leibe gerüttelt. Es war zunächst das Benzin, das im Vergaser verspritzte und die erste Panne verursachte. Das war schon schlimm genug, denn ohne Sprit tat es der Motor nicht mehr. Plötzlich blieb der Wagen mitten in einem schreienden Gänsehaufen, der lärmend vor den Rädern hergeprescht war, stehen. Alte Weiber, ein Kreuz schlagend, kamen gelaufen, Kinder und Gänse in Sicherheit zu bringen, ehe der Teufelswagen wieder Dampf ausstieβ. Auch der Mann im Auto, mit der Schutzbrille, kam den Leuten nicht geheuer vor, nur die Dame im Schleier milderte die Unheimlichkeit dieses fauchenden Gefährtes. Aloisia muβte lange am Straβenstein hockend warten, ehe der Motor wieder ein Zeichen von sich gab und geneigt schien, die Reisenden ihrem Ziel näherzubringen.

Im nächsten Ort gab es unter Menschen und Gänsen wieder groβe Schrecken. Die Pferde entgegenkommender Fuhrwerke bäumten und manch ein Bauerngefährt blieb im Straβengraben liegen. Louise zog ihren Schleier dichter über die Augen, um das Unheil nicht sehen zu müssen. Ferdinand aber sah nur die Straβe vor sich und horchte auf die Geräusche des Motors, daβ er streckenweise sogar darauf vergaβ, wer neben ihm saβ. Städte mit alten Türmen tauchten auf, Schlösser und Burgen, manche Sehenswürdigkeit im schönen Mähren und Böhmerland. Ferdinand blickte erst auf, als in der Ferne ein blauer Streifen den Horizont säumte.

"Der Jeschken!" rief er. Er grüβte den Heimkehrenden. Dort wie ein winkender Arm der rote Kamin der Ginzkeyschen Fabrik. "Jetzt sind wir bald in Maffersdorf, Louis."

Es waren acht Jahre her, da er mit seinem Köfferchen von hier fortgegangen war, ein Klempnerjunge, der in die groβe Welt zog. Begonnen hatte es dort unter der hohen Esse, damals als er bei Ginzkey den Blick in den Maschinenraum getan. Bald hatte seine eigene kleine Dynamomaschine gesummt. Nun saβ er auf diesem Wagen, darin ein Benzinmotor eine Dynamomschine trieb, die den Strom für die Motoren in den Radnaben lieferte. Weit war der Weg - und nun eine 400-Kilometerfahrt von Wien bis Maffersdorf.

Auch hier an den Fenstern plattgedrückte Nasen, als das Automobil durch die Straβe fuhr. Selten sah man so einen "Dampfwagen". Jeder wuβte, daβ Porsches Ferdinand in Wien bei dem k. u. k. Hofkutschenlieferanten einen guten Posten hatte. Nun kam er selber "wie ej Ferscht" daher.

Vater Porsche reckte sich. Der einzige, der in Maffersdorf im Automobil fuhr, war Ginzkey - und nun auch sein Sohn Ferdinand. Voll Stolz schwoll seine Brust. Er übersah beinahe die Mitfahrerin.

Anders Mutter Porsche. Sie sah zuerst und überhaupt nur dieses Mädchen, und sie fühlte zugleich mit ihrem Herzen, wer sie war.

"Louise, meine Braut!" stellte Ferdinand sie den Eltern vor.

Der Vater sah unwillkürlich zur Mutter hin. Er hatte mit ihr erst kürzlich wieder darüber gesprochen, daβ Antonia, die Tochter des Direktors Bergmann, schon die richtige für Ferdinand sein würde. Nun brachte sein Sohn eine Wienerin mit. Mutter Porsche führte sie schon an der Hand ins Haus. Wieder muβte Vater Porsche erleben, daβ dieser Sohn seinen eigenen Willen hatte, der stärker war als seiner. Wie sehr hätte es dem Ansehen gedient, wenn es zu einer Verschwägerung zwischen der Villa des Direktors Bergmann und dem Porschehaus gekommen wäre.

Und nun eine arme Schneiderstochter.

Auch Mutter Porsche hatte ein Ziehen in der Brust, wenn sie an Antonia dachte, die bald alles erfahren würde. Louise Johanna war ein zartes feines Geschöpf, was Vater Porsche auch nicht gefallen wollte. "Und gar so mager!" sagte er. Sein Schönheitsideal verlangte eine gewisse Üppigkeit, was auch der landesüblichen Auffassung von Frauenschönheit entsprach, hier im Lande des Barock. In diesem Punkte stimmte sogar Mutter Porsche mit ihm überein. Aber dieser Magerkeit war abzuhelfen. Mutter Anna, wie immer auf der Seite ihres Ferdinand, wuβte auch schon wie. "Am besten, wir behalten sie eine Zeitlang hier. Bei guter Kost und Luft wird sich das schon ändern."

Vater Porsche versuchte die Sache von einer anderen Seite anzugehen. Er sagte: "Ferdinand ist doch noch viel zu jung zum Heiraten." Wenn ihm das eingeredet werden könnte, würde sich alles von selbst regeln. In der Jugend heiratet einer aus Liebe, wenn er aber älter ist und mehr Verstand hat, sieht er nicht nur das hübsche Gesicht, sondern auch die Mitgift. Bei der Tochter des Fabrikbesitzers würde es daran nicht fehlen. Was aber konnte eine Schneiderstochter schon in die Ehe mitbringen? "Nein, Ferdinand soll sich nur Zeit lassen!"

Aber Ferdinand wuβte, was er wollte, und Zeit lassen war nicht seine Art. Vater Porsche sah bald ein, daβ da nichts mehr zu machen war. Es blieb zuletzt nur das eine, Louise in die Mastkur zu nehmen, damit sie wenigstens in bezug auf ihre Körperfülle für Ferdinand die rechte Frau würde.

Von der Straβe her drang Hupen und wurde immer lauter - es war schlieβlich wie ein Hupenkonzert, das denen in der Stube bereitet wurde. Die ganze Nachbarschaft stand um das Automobil herum, nur wenige konnten der Versuchung widerstehen, auf den prallen Gummiball zu drücken, der das Mundstück einer Trompete abschloβ, die am Lenkrad hing. Der Buchbinder Wondrak sagte: "Nej, ma mechts ne fr meglich haln, wos aus dan Firlefanz gewurn is."

Wenn man doch einmal mit diesem Auto fahren könnte! Dieser heimliche Wunsch stand in aller Augen. Es blieb natürlich Vater Porsche vorbehalten, mit seinem Sohn eine Ausfahrt zu machen. Der Porscheklempner hatte in seinem Leben schon groβe Tage gehabt - er war zum Vizebürgermeister gewählt worden und war dem Kaiser entgegengeritten, um ihn in Maffersdorf zu begrüβen. Aber dieser Tag, an dem er in das von seinem Sohn gebaute Automobil steigen sollte, war der gröβte. Er zog seinen guten Rock an, band sich ein neues Vorhemd um und die breite schwarze Masche dran. Er wollte damit seinem Sohn auch Ehre antun. Er saβ am Rücksitz des Mixt-Wagens, System Lohner-Porsche, den Ferdinand steuerte.

Die Sensation von Maffersdorf hatte einen Photographen auf die Beine gebracht. Er baute schon seine Kamera auf, kroch unter das schwarze Tuch und brachte aufgeregt das Automobil samt Insassen glücklich auf die Mattscheibe. Nur in Bewegung durfte es sich nicht setzen - er hatte keinen Momentverschluβ, der Deckel muβte vom Objektiv mit der Hand abgehoben werden. Sie hielten alle schön still, auch Mutter Porsche und die fesche Wienerin, die mit ihr hinter dem Gartenzaun stand. Vater Porsche wandte sich dem Photographen zu, damit auf dem Bild auch deutlich zu erkennen sei, daβ er es ist, Anton Porsche. 

Dann puffte das Automobil über die Straβe. Die Leute sahen den Wagen hinter einer Staubwolke verschwinden. Teppichweber und Glasmacher, die von der Arbeit heimgingen und stehenblieben, sagten zueinander: "Saβ da nicht der alte Porscheklempner drin?" Jeder wuβte, daβ er gern groβ auftrat, aber so im Automobil dahinbrausen? Nein, das konnte der Porscheklempner nicht gewesen sein, eher war es Baron Liebieg aus Reichenberg oder gar Fürst Pleβ. Und so ein junger Chauffeur, nicht einmal ein Bärtchen hatte er noch. Wie der Teufel fuhr er - 30 Kilometer in der Stunde würden es wohl sein. 

Mutter Porsche war indessen eifrig dabei, für den Besuch einen Maffersdorfer Salat herzurichten. Sie wuβte ja genau, was Ferdinand gern aβ. 

Nach der Rückkehr am Abend zeigte Ferdinand seiner Braut die selbst gebaute Lichtanlage. Wie lange war das schon her? Sie funktionierte noch immer und versorgte das Haus mit Strom. Und wieder fiel das Licht über die Bilder an der Wand, und mit den Augen des Groβvaters blickte ein ganzes Geschlecht auf den jungen Ferdinand und das Mädchen aus der Kaiserstadt Wien.

In Wien klapperte der Morseapparat: "Fahrt gut verlaufen - Porsche."

 

 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND