DIR.
ING. FRITZ LINKE
(1891 - 1960)
Wissen
Sie, was ein Chemiker-Colorist ist?
Am 23. Juli
1945 diktierte Heinz Ginzkey ein Zeugnis, in dem es u.a. hei βt:
"... Er ist nicht nur eine Kapazität in seinem Fach,
sondern auβerdem ein hervorragender Organisator und
wissenschaftlicher Kenner von Betriebswirtschaft. Seine
Leistungen für
mein Werk sind unbezahlbar. ... Als Mitarbeiter schätze ich
Herrn Linke als persönlichen Freund, auf dessen Treue ich
stets bauen kann. Sollten ihn die Verhältnisse zwingen, mich
zu verlassen, so wäre dies ein unersetzlicher Verlust für
mich und mein Werk."
Zwei Tage
später begann der Untergang der Firma. Das ist im Band 2 der
Chronik nachzulesen. Es war der Todestag von Alfred W.
Mallmann, und Heinz Ginzkey mu βte
im November Werk und Mitarbeiter verlassen. Die Tschechen wuβten
offensichtlich auch um den Wert des Prokuristen und Direktors
Fritz Linke. Er muβte bleiben und bis 1958 dem Betrieb
zur Verfügung
stehen; ja er sollte sogar seine beiden Söhne Fritz und
Werner, ebenfalls beide Chemiker, dazu zwingen, mit ihren
Familien aus Westdeutschland nach Vratislavice zu gehen, denn
"als Chemiker könnten sie dort auch arbeiten".
Selbst nach seiner Pensionierung wurde ihm nicht erlaubt
auszureisen. Erst ein Jahr nach seinem Tod, er starb 1960 in
Maffersdorf, durfte seine Witwe zu den Kindern ziehen.
Aber zunächst
ein Stück weiter zurück in die Vergangenheit. Fritz Linke
wurde am 5.3.1891 in Maffersdorf geboren und besuchte nach der
Volks- und Bürgerschule die Staatsgewerbeschule in
Reichenberg. Sein Studiengebiet war die Chemie, und dabei
besonders die Textilveredelung. Nach 5 Jahren des Lernens und
Experimentierens bekam er den Titel des Ingenieurs. Das
bedeutete aber keinesfalls ein Ausruhen auf den erworbenen
Lorbeeren; Zeit seines Lebens blieb er ein Suchender und
Forschender. Das geht aus den verschiedenen Zeugnissen und
Briefen, besonders auch aus einem gedruckten Nachruf hervor,
die mir vorliegen. Aus ihnen will ich den Lebensweg Fritz
Linkes ein wenig nachzeichnen.
Sehr bald nach
seiner Ausbildung mu β
Fritz Linke Martha Glaser geheiratet haben, denn 1918 wird den
beiden der erste Sohn, Fritz, geboren. Ein Jahr später hat er
bereits eine leitende Stellung bei C.M. Wolfrum, Mechanische
Weberei, Färberei und Appretur in Aussig. Am 31. Juli 1924
verläβt er die Firma auf eigenen Wunsch als
selbständiger Leiter des Färberei- und Appreturbetriebs. Im
Zeugnis von 1945 heiβt es: "Am 1.9.1924 trat Herr
Ing. Fritz Linke als Chefchemiker bei uns ein, nachdem es
Herrn Willy Ginzkey gelungen war, sich seine Mitarbeit im
Einverständnis mit Herrn Wolfrum zu sichern." Der Chef
in Aussig lieβ seinen Mitarbeiter nur ungern gehen, denn
dieser hatte äuβerst gewissenhaft gearbeitet, sich auf
seinem Gebiete wissenschaftlich weitergebildet, den ihn
anvertrauten Betrieb stets auf der Höhe gehalten und im
Umgang mit den Arbeitern immer den richtigen Ton gefunden. In
der Firma I. Ginzkey hat der Chemie-Ingenieur dann seine ganze
Begabung entfalten können. Er stellte die Färberei auf ganz
neuer Basis um. Er führte die damals eben aufgekommene
Ostwaldsche Farben- und Harmonielehre bei der Textilveredelung
ein, machte eigene Versuche und Messungen, und so wurde das
Fabrikslabor das Herz des Betriebes. Er schlug eigene Wege in
der Farben- und Fettchemie ein, die nicht nur frühere
Verfahren verbesserten, sondern auch auβerordentliche
Ersparnisse einbrachten.
Herrn Ing.
Linke war es nicht nur um seine eigene Weiterbildung zu tun.
Er sammelte bald in Maffersdorf und der näheren und weiteren
Umgebung Coloristen in einer Vereinigung um sich, zu deren
Vorsitzenden er gewählt wurde. Er war Mitbegründer des
Internationalen Vereins der Chemiker-Coloristen, welchem
schlie βlich
Kollegen aus 34 Ländern angehörten. Von 1934 - 1936 war er
Präsident dieser Vereinigung. Als solcher hat er am Aufbau
der internationalen Beziehungen unter den Textilchemikern und
Textilveredlern mit groβem Erfolg gearbeitet. Für diese
Bemühungen um den Zusammenschluβ der Fachwelt wurde er
mit der goldenen Plakette
des IVCC ausgezeichnet. Linke verstand es, die Wissenschaft
mit der Praxis harmonisch zu vereinen. 1936 wurde er von der
Höheren Fachschule für Textilindustrie M.-Gladbach-Rheydt in
den wissenschaftlich-technischen Beirat der Schule berufen.
Unterschrieben war der Brief vom Direktor der Schule, Prof.
Dr. Ing. Mecheels, der auch 1960 den Nachruf geschrieben hat.
In Maffersdorf
bei I. Ginzkey war Ing. Linke die Leitung sämtlicher
Appreturabteilungen und der Deckenweberei anvertraut, die er
nach modernsten Grundsätzen neu organisierte. Durch
wissenschaftliche Materialprüfung erzielte er grö βte
Erfolge. Immer wieder wird sein hervorragendes
Organisationstalent erwähnt, das sich u.a. in schwierigen
Situationen während des Krieges bewährte. Daβ man über
Maffersdorf hinaus auf diesen Mann aufmerksam geworden war,
zeigt auch ein Brief aus dem Jahre 1941, in dem ein
Regierungsrat Dr. Neumann u.a. schreibt: "M.E. wäre es
zweckmäβig, die Erkenntnisse und Arbeitsergebnisse von
Herrn Ing. Linke der gesamten, sudetenländischen
Textilindustrie zugänglich zu machen."
Im Nachruf
fiel mir der Satz auf: "Er hat sich insbesondere um die
richtige Ausbildung des Nachwuchses bemüht und es zusammen
mit R. Haller verstanden, die ideale Seite des coloristischen
Berufes vor jungen Menschen darzustellen." Die Tatsache,
da β
seine beiden Söhne ebenfalls Chemiker wurden und in der
westdeutschen chemischen Groβindustrie tätig waren, läβt
nur einen Schluβ zu: Dir. Ing. Fritz Linke muβ von
seinem Beruf restlos begeistert gewesen sein, und er verstand
es zu begeistern. Das wirft auch ein Licht auf den Menschen
Fritz Linke, von dem es immer wieder heiβt, er war ein
guter und zuverlässiger Freund, und am Schluβ, ein groβer
Chemiker-Colorist ist dahingegangen.
Da habe ich
mir so meine Gedanken gemacht, wie es wohl in ihm ausgesehen
haben mag in seinen letzten Berufs- und Lebensjahren, ohne
seine langjährigen, verehrten Chefs, ohne seine Freunde und
Mitarbeiter im Betrieb und ohne seine Kinder, in einem
Heimatort, der langsam zur Fremde wurde.
Wissen Sie
nun, was ein Chemiker-Colorist ist? Ich würde es so
interpretieren: Einer, der die Wissenschaft der Farbchemie in
die Praxis umsetzt, also ein Wissenschaftler und Praktiker
zugleich.
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