DR.
ING. GUSTAV BUTSCHEK
(* 1909)
Träger
der Ritter von Gerstner Medaille
nach zwei
Aufsätzen von Herbert Wessely
Dr. Butschek
kann auf ein langes, erfülltes Leben zurückblicken. Er sagte
einmal von sich: "Eigentlich führte ich zwei Leben,
neben Studium und wissenschaftlicher Arbeit - Jugendbewegung
und Turnverband." Da sprach er natürlich von der ersten
Hälfte seines Lebens. Ich meine, das könne man auch von der
zweiten Hälfte sagen: Wissenschaftliche Arbeit an leitender
Stelle in der deutschen Industrie - Familienvater und
aufopferungsbereiter Gatte. Bei allem, was er tat, setzte er
sich voll und ganz ein, auch in den letzten Jahren bei der
Pflege seiner kranken Frau.
Ich stütze
mich im folgenden Text hauptsächlich auf den Aufsatz von
Herbert Wessely im Mitteilungsblatt des "Freundeskreises
Sudetendeutscher Wandervogel" vom August 1993, möchte
aber kurz ein paar Sätze über die Wandervogelbewegung
vorausschicken und einiges über die Jugendbewegung des
beginnenden 20. Jahrhunderts ergänzen (Franzel:
Sudetendeutsche Geschichte).
Um 1900
entstand in Deutschland eine geistige und kulturelle
Erneuerungsbewegung, die hauptsächlich von den Schülern und
Studenten getragen wurde. Sie ist heute allgemein unter dem
Namen "Jugendbewegung" bekannt und umfa βte
viele verschiedene Gruppen und Richtungen. Entstanden war sie
aus der Auflehnung gegen die Lebensformen des gebildeten
Bürgertums, die als unecht und erstarrte Konvention empfunden
wurden. Eine Vielzahl von Bünden und Gruppen entstand. Zu den
Gründern dieser Bewegung gehörte der 1901 entstandene
"Wandervogel", der aus einer Wandergruppe des
Berlin-Steglitzer Gymnasiums hervorgegangen war und sich über
Deutschland, Österreich und nach Böhmen hinein ausbreitete .
Alle diese Jugendbünde hatten das Ziel, einfaches Leben,
Naturverbundenheit, Bereitschaft zum Dienst an der
Gemeinschaft, Erhaltung alten Kulturgutes (Volkslied,
Volkstanz, Laienspiel) als erstrebenswert zu vermitteln. Der
"Wandervogel" war überparteilich und
überkonfessionell, lehnte den Genuβ von Alkohol und
Tabak ab und hielt innere Wahrhaftigkeit, Selbstverantwortung
und Kameradschaft als Erziehungsziele hoch. Natürlich stieβen
diese Gedanken auf lebhaftes Echo bei den Sudetendeutschen,
besonders auch, weil sie ja als Minderheit um ihre kulturelle
Selbständigkeit kämpften. Das wurde besonders drängend in
der politischen Situation nach 1919. Es entfaltete sich die
katholische Jugendbewegung auf dem Lande und an den
Hochschulen, es entstanden die Bauernhochschulen, aus dem
Schulverband wurde der Kulturbund, die sudetendeutschen
Turnverbände schlossen sich zusammen, Heinz Rutha begann die
Jungmannschaft der Turner zu schulen, Volksbüchereien
entstanden, die jungen Lehrer fingen mit der Volkstumsarbeit
an, Heimatkunde und Heimatforschung wurden wichtig. Das alles
spielte sich abseits der politischen Parteien ab. Diese jungen
Leute suchten ehrlich und in ernster Sorge nach einer besseren
Form der völkischen Selbstregierung, nach einem idealen Staat
und einer gerechten Gesellschaftsordnung. Zu erwähnen wäre
hier sicher noch der sogen. Kameradschaftsbund. Er hatte sich
neben den Aufgaben der Jugendbewegung das Ziel gesetzt, auch
politisch und wirtschaftlich an Einfluβ und Macht zu
gewinnen. Sie schalteten sich als Berater, Sekretäre,
Adjutaten in das wirtschaftliche und politische Getriebe ein.
Die Führungsfunktionen blieben zwar in den Händen der
älteren Generation, aber sie hatte in Wahrheit wenig zu
sagen. Über den Verbandsturnwart Konrad Henlein - in
Maffersdorf geboren - und den Verbandswart der turnerischen
Jungmannschaft Heinz Rutha gewannen die Jungen die wichtigste
völkische Organisation. Der Kameradschaftsbund spielte auch
in den politischen Auseinandersetzungen mit den Tschechen in
den Jahren vor 1938 eine groβe Rolle, denn es war jener
politische Kreis von Hochschülern, der dem Gedankengut des
Philosophen Ottmar Spann (Ständestaat) sehr nahe stand. Der
Kameradschaftsbund erkannte frühzeitig die Gefahr der
Gleichschaltung im Reich und war deshalb für den Verbleib in
der Tschechoslowakei, freilich nur unter weitgehender
Autonomie mit gänzlicher Selbstverwaltung und Gleichstellung
der Sudetendeutschen. Wären die Tschechen maβvoller und
einmal in ihrer Geschichte einsichtig gewesen, wieviel Blut
und Tränen
wären vermieden worden?!
In diese
Bewegung kam der Student Gust Butschek aus Maffersdorf, wie
viele andere auch. Er gehörte dem Wandervogel und der
Turnerschaft an.
Herbert
Wessely schreibt u.a.:
"Wir kennen unseren Freund als bescheidenen, aber sehr
einsatzbereiten Helfer bei all unseren Wandervogelproblemen.
Wie seine Familiengeschichte aufweist, gehört er zu jener
Gruppe Wandervögel, deren Herkunft in beiden Kronländern -
Böhmen und Mähren - gründet. So stammt er väterlicherseits
aus Brünn, von Mutters Seite aus Maffersdorf bei Reichenberg,
und ihre Vorfahren stammen zu einem Teil aus dem Kuhländchen.
Deshalb verbrachte Gustl seine Kindheit während des ersten
Weltkrieges, als sein Vater Soldat war, von 1914 - 1919 in
Odrau, wo er auch die Volksschule besuchte. 1919 kehrte die
Familie nach Maffersdorf zurück. Von 1920 - 1927 absolvierte
Gust das Gymnasium in Reichenberg, er schlo β
mit Auszeichnung ab. In diese Zeit fällt 1925 seine Begegnung
mit dem "Wandervogel", dem er von da ab sehr aktiv
und eng verbunden blieb. Die Reichenberger Wandervogelgruppe
umfaβte 20 Jungen. Sommerlager im Isergebirge,
Wanderfahrten in die Karpaten, nach Siebenbürgen bis ans
Schwarze Meer, Winterlager 1925 in Gottesgab. .... Es war die
Blütezeit des Bundes, die Gustav Butschek miterlebte. 1927
trat er der Freischar "Pädagogische Gesellschaft"
bei. 1929/30 war er Kanzler des "Bundes der
böhmerländischen Freischaren". Zur gleichen Zeit war er
auch im Turnverband sehr aktiv. 1919 war er als Schüler schon
der Turnbewegung in Maffersdorf beigetreten. Er nahm an vielen
Lehrgängen und Wettkämpfen teil, erkämpfte sich das
deutsche und sudetendeutsche Sportabzeichen und legte die
Leistungsprüfung des DTV ab. Der Turnbewegung blieb er treu
bis zum Schluβ. Von 1979 bis 1987 war er noch
Schriftleiter des "Sudetendeutschen
Turnerbriefes".
Daneben darf
man das "zweite Leben" nicht vergessen, das äu βerst
erfolgreiche Berufsleben. Ich will es in Stichpunkten
aufzeichnen: 1927/33 Deutsche Technische Hochschule in Prag
(Chemie), II. Staatsprüfung zum Ingenieur, Dissertation,
Promotion - alles mit "Auszeichnung". Nach dem
Militärdienst beim tschechischen Heer (1933/34) Mitarbeiter
am Institut für Biochemie (Fachgebiet: Enzymchemie, Eiweiβchemie,
Hefeverwertung). Bei den Hefen und Pilzen ist er dann
hängengeblieben. Sie waren sein Hauptarbeitsgebiet bis zum
Ende seines Berufslebens. Viele wissenschaftliche
Veröffentlichungen und 12 angemeldete Patente geben nur eine
Ahnung von der wissenschaftlichen und praktisch-wirksamen
Leistung des Erfinders und Experimentators Dr. Ing. Gustav
Butschek. Seine Arbeiten über Hefen und Pilzverbindungen
wurden eine wichtige Grundlage der Lebensmittelindustrie. Er
arbeitete u.a. in Auβig-Schönpriesen,
Wolfen-Bitterfeld, Mainz-Kostheim, Hamburg-Wandsbek und stieg
auf vom Betriebsassistenten über den Betriebsleiter und
Oberbetriebsleiter zum Betriebsdirektor. Entwicklung,
Forschung und Produktionplanung waren seine
Arbeitsschwerpunkte.
1986 wurde
Dr.-Ing. Gustav Butschek "Für Verdienste um Wissenschaft
und Forschung" vom Bundesverband der Sudetendeutschen
Landsmannschaft die "Ritter von Gerstner Medaille"
verliehen, "in Anerkennung seiner wissenschaftlichen
Arbeit und praktischen Erfahrung in chemischen
Industrieverfahren".
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