8.
Der Tod von Johannes Hus und seine Folgen
Wenzel
hatte von den guten Eigenschaften seines Vaters kaum eine
geerbt. Er kümmerte sich wenig um das "Reich",
blieb hauptsächlich in Böhmen. Da setzten ihn die deutschen
Kurfürsten ab und wählten nach dem Pfälzer Wittelsbacher
Ruprecht dann Wenzels wesentlich jüngeren Bruder Sigismund
zum deutschen König. Wenzel und Sigismund spielten in der
Hussitischen Revolution und der sich daraus ergebenden
Tragödie eine wichtige Rolle. Wenzel tat als Kaiser nichts
gegen die Kirchenspaltung, die durch die Übersiedlung der
Päpste nach Avignon entstanden war. Somit hatte auch die
Kirche an Autorität verloren. Ketzerbewegungen mit sozialem
Hintergrund machten sich nicht nur in Böhmen breit. Die
philosophisch-theologischen Grundlagen der Kirche bekamen im
14. Jahrhundert die ersten Sprünge. In dieser Zeit lieβ
König Wenzel Johann von Nepomuk foltern und in die Moldau
werfen. Johannes Hus entwickelte auf den Gedanken des
Engländers John Wiclif seine Ideen von einer Reform der
Kirche und sammelte hauptsächlich die national denkenden
Tschechen der Städte und des Landvolkes um sich. Mit der in
dieser Zeit entstandenen deutschen Reformbewegung nach einer
neuen Religiosität und verinnerlichten Frömmigkeit wollte er
nichts zu tun haben. Die Gegensätze verschärften sich noch,
als viele deutsche Magister und Studenten die Prager
Universität verlieβen und etwa an die neugegründeten
Universitäten in Leipzig, Heidelberg, Tübingen oder Wien
gingen. Kaiser Sigismund versammelte in Konstanz ein Konzil
der abendländischen Kirche, zu dem dann u.a. Jan Hus geladen
und auf dem er, da er nicht widerrief, verurteilt und am
6.7.1415 vor den Toren der Stadt Konstanz verbrannt wurde. Die
Nachricht von Hussens Märtyrertod löste in Böhmen eine
mächtige nationale Bewegung aus. Aus der religiösen
Erneuerungsbewegung der Deutschen wie der Tschechen wurde eine
tschechisch-nationale Revolution. Die Flamme, die sich an dem
Scheiterhaufen von Konstanz entzündet hatte, schlug mit
rasender Macht empor, als Wenzel 1419 einem Schlaganfall erlag
und Sigismund nach dem luxemburgischen Erbgesetz Anspruch auf
die böhmische Krone erhob. Alles weitete sich zu den
schrecklichen Hussitenkriegen aus, die furchtbares Leid weit
über Böhmen und Mähren hinaus für die Menschen brachten
und deren Auswirkungen ich nicht beschreiben muβ. Nach
den Kriegen war die Sprachgrenze zwar kaum verändert, aber
die meisten Städte waren tschechisiert, die Sprache des
Landtages und der landesfürstlichen Organe war das
Tschechische geworden, die Deutschen waren widerwillig
geduldete Untertanen, die wirtschaftliche Blüte des Landes
war gebrochen. Der eigentliche Sieger war der Landadel, der
die Macht des Königtums und der Bürger gebrochen hatte. Er
genoβ seine Macht ein Jahrhundert lang in vollen Zügen.
Das tschechische Volk hatte seinem Märtyrer Hus eine
furchtbare Rache bereitet, war aber selbst dabei nicht reicher
und glücklicher geworden. Mir scheint hier eine der Wurzeln
des späteren Unglückes zu liegen.
Unter
Ferdinand von Österreich wurden die Länder Böhmen,
Österreich, Ungarn und Kroatien zwar wieder unter einer
starken Hand vereinigt und sollten es 400 Jahre bleiben, aber
die Deutschen in Böhmen waren damit in eine andere räumliche
Beziehung gerückt. Sie waren zum äuβersten Randvolk
eines Vielvölkerstaates geworden. Je mehr sich der
Schwerpunkt von Prag weg nach Wien verlagerte, desto mehr
vertiefte sich der Grenzgraben nach Sachsen und Schlesien hin.
Eine zweite folgenschwere Entwicklung hob um 1520 an mit
Luthers Aufstand gegen den Papst und endete mit dem
30jährigen Krieg, in dem auch der kleine Mann mit Leben, Blut
und Gut bezahlte und nach Laune der Herren, den Glauben zu
wechseln oder die Heimat zu verlassen hatte. Reformation und
Gegenreformation forderten ihren Preis. In den Sudetenländern
gewann gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Katholizismus an
Einfluβ und Bedeutung. Es war hauptsächlich das Werk der
Jesuiten mit ihren modernen Schulen und Erziehungsmethoden,
der Reform des Gottesdienstes und der Kirchenmusik.
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