10.
Die Barockzeit
Das
wirtschaftliche Elend, das der lange Krieg hinterlassen hatte,
bedrückte gegen Ende des 17. Jahrhunderts Deutsche wie
Tschechen. Sprache und Kultur lagen darnieder. Allein der Adel
zog sich eine kleine Bildungsschicht soweit heran, als er sie
zur Erhöhung seines Glanzes bedurfte. Barocker Bau- und
Lebensstil begann an den Fürstenhöfen seine Blütezeit und
bildete eine Voraussetzung für den geistigen Aufbruch in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Glanz und Elend dieses
Zeitalters lagen dicht nebeneinander: Die herrlichen
Leistungen der Architektur, Malerei und Gartenbaukunst waren
die eine Seite, Untertänigkeit und Robot der Bauern bis zur
Leibeigenschaft und das kümmerliche Dasein des Bürgertums
waren die andere. Deutsche, Tschechen, Italiener, Franzosen
und Angehörige anderer europäischer Länder standen im
Dienste böhmischer Herren, Klöster und Städte als
Baumeister, Maler und Stukkateure. Die Epoche des Barock
verwirklichte noch einmal die Einheit Europas auf der
Grundlage einer international verbundenen Aristokratie und
einer ebensolchen Bildungsschicht bürgerlicher Herkunft. Der
alte und neue böhmische Adel (z.B. Schwarzenberg, Kinsky,
Clam, Gallas ...) hatte durch seine familiären und
wirtschaftlichen Verbindungen einen europäischen Charakter.
Als Minister, Diplomaten, Generäle, Bischöfe, Mäzene,
Bauherren und Grundbesitzer sind sie aus der Geschichte der
Sudetenländer nicht wegzudenken. Der Adel spielte in jener
Zeit noch eine bedeutende Rolle. Das ganze Land änderte in
diesen Jahrzehnten sein Gesicht, das seine barocken Züge bis
in die Neuzeit behielt. Die Schlösser, die Stadtpalais, die
gewaltigen Kirchen und Rathäuser, die Pfarr- und
Dekanatskirchen, die Dreifaltigkeits- und Pestsäulen, die
Nepomukstatuen auf den Brücken, das alles geht auf die zwei
Menschenalter nach dem schrecklichen Kriege zurück, die
Böhmen, Mähren und Schlesien eine verhältnismäβig
ruhige Zeit friedlicher Arbeit bescherten.
|