Der Tschechoslowakische Staat

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16. Der Tschechoslowakische Staat

Nach vier Jahren Krieg, Zerstörung und Hunger in Europa wurde die Sehnsucht der Völker nach Frieden immer stärker. Während des Krieges waren Thomas Masaryk und Eduard Benes nach Amerika ins Exil gegangen, gegen Ende des Krieges schafften sie dort mit Verhandlungen Tatsachen, die beim Friedensschluβ mit Österreich eine Rolle spielten, nämlich die Anerkennung des tschechoslowakischen Nationalrates als Regierung eines kriegführenden Staates. Als im Oktober 1918 die k. und k. Regierung Präsident Wilson um einen Sonderfrieden bat und sich dabei auf Punkt 10 seiner Friedensbotschaft berief (" Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz wir im Kreis der Nationen gefestigt und gesichert sehen wollen, ist die Möglichkeit zu unbehinderter autonomer Entwicklung einzuräumen."), erklärte Wilson, daβ dieser Punkt überholt sei, da der Tschechoslowakische Staat bereits als souverän anerkannt sei. Am 28. Oktober 1918 proklamierte ein Nationalrat in Prag den unabhängigen Tschechoslowakischen Staat und übernahm die Regierungsgewalt. Die Regierung in Wien fügte sich. Schon nach wenigen Tagen war zu erkennen, daβ der neue Staat die Herrschaft über ganz Böhmen, Mähren und Schlesien beanspruchte und den Sudetendeutschen das Selbstbestimmungsrecht verweigern würde, für welches Wilson sein Wort gegeben hatte. In der Regierungserklärung am 23. Dezember 1918 sagte Masaryk: "Die von den Deutschen bewohnten böhmischen Gebietsteile sind und bleiben unser. Wir haben diesen Staat erkämpft, und die staatsrechtliche Stellung unserer Deutschen, die einst als Immigranten und Kolonisten hierhergekommen sind, ist damit ein für allemal festgelegt. Wir haben ein gutes Recht auf die Reichtümer unseres gesamten Landes...." Im Oktober 1918 hatte er in Philadelphia noch erklärt: "Die Rechte der Minderheit sollen durch verhältnismäβige Vertretung gewahrt werden, nationale Minderheiten sollen gleiche Rechte genieβen." 

Im November begann das tschechische Militär mit der Besetzung des Sudetenlandes, die im Januar abgeschlossen war. An einen Widerstand war in den vom Krieg erschöpften Gebieten nicht zu denken. Bedenken der Siegermächte, besonders der englischen und amerikanischen Diplomaten, hatte Benes mit Fälschungen der Landkarte entkräftet. Als am 4. März 1919 hundertausende Deutsche für ihr Selbstbestimmungsrecht demonstrierten, feuerte das tschechische Militär in verschiedenen Städten in die Menge. 54 Tote und 104 Verletzte waren an diesem Tag zu beklagen. Als am 28. Juni 1919 das Versailler Diktat unterschrieben wurde, war den Sudetendeutschen klar, daβ sie kaum noch mit der Erfüllung ihrer Forderungen rechnen konnten. Trotzdem beteiligten sich die Deutschen an den ersten Gemeindewahlen. Das Wahlergebnis zeigte damals (auch den Siegermächten) das geschlossene deutsche Siedlungsgebiet an. In den folgenden Jahren aber wurde dieses von den Tschechen systematisch unterwandert, bzw. in den wichtigen Stellen und Ämtern von tschechischen Beamten besetzt. Auf allen Gebieten des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens wurden die Deutschen benachteiligt. Bis 1927 wurden 500 deutsche Schulen (= 3500 Schulklassen) geschlossen und die weiterbestehenden bekamen praktisch keine staatliche Unterstützung mehr. Die Sudetendeutschen stellten durch Jahre mehr als die Hälfte der Arbeitslosen in der Ersten Tschechoslowakei. 

Diese bezeichnete sich von vornherein als tschechoslowakischer "Nationalstaat". Die gegen ihren Willen zu Staatsbürgern des neuen Staates gemachten Sudetendeutschen waren von der Abfassung des Verfassungsgesetzes und 300 weiterer grundlegender Gesetze ausgeschlossen. Das Gesetz zum Schutz der Republik von 1923 machte jedes oppositionelle Wort unmöglich, politischen Gegnern wurde der Prozeβ gemacht. Im Jahre 1921 schrieb der damals erst 26jährige Sudetendeutsche R. Coudenhove-Kalergi in einem Artikel: "Die deutsche Frage ist die eigentliche Existenzfrage der Tschechoslowakischen Repubik; gelingt ihr die Versöhnung der dreieinhalb Millionen Deutschen mit neun Millionen Tschechen und Slowaken, so wird sie reich, angesehen und vorbildlich für künftige übernationale Staatenbildung werden. Gelingt diese Versöhnung nicht, so muβ der Staat aus einer Krise in die andere taumeln, bis Deutschböhmen sich bei günstiger weltpolitischer Gelegenheit losreiβt. ... Verläβt die Tschechoslowakei den Boden des Nationalismus, so kann sie vorbildlich werden für ein neues Europa, das keine Sprachkonflikte mehr kennen wird."

 

Copyright © by Inge Schwarz 1997 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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