18.
Der Anschluβ an das Deutsche Reich
Am
12. September 1938 sagte Hitler auf dem Reichsparteitag in
Nürnberg: "Die armen Palästinenser sind wehrlos und
vielleicht sind sie verlassen. Die Deutschen in der
Tschechoslowakei sind weder wehrlos noch verlassen. Dies möge
man zur Kenntnis nehmen." Zwei Tage später stellte Lord
Runciman, Sonderbotschafter der britischen Regierung zur
Untersuchung der Verhältnisse in der Tschechoslowakei, in
einem Zwischenbericht fest: Die tschechoslowakische Herrschaft
in den sudetendeutschen Gebieten sei während der letzten 20
Jahre "taktlos, verständnislos und kleinlich"
gewesen und habe "die deutsche Bevölkerung unweigerlich
in die Richtung offenen Widerstands treiben müssen. ... Die
groβe Mehrheit der Einwohner wünscht die Vereinigung mit
Deutschland." Und am 15. September erfolgte ein Aufruf
Henleins über den reichsdeutschen Rundfunk: "Ohne jemals
auf das Selbstbestimmungsrecht verzichtet zu haben, haben wir
unter schwersten Opfern alles versucht, im tschechischen Staat
unser Dasein zu sichern. Alle Bemühungen um einen gerechten
Ausgleich sind gescheitert. Wir wollen als freie deutsche
Menschen leben! Wir wollen wieder Friede und Arbeit in unserer
Heimat! Wir wollen heim ins Reich!" Wenzel Jaksch erlieβ
als Vorsitzender der Deutschen Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei den letzten Aufruf: "Sudetendeutsche! Ihr
alle steht nun vor der Wahl: Gleichberechtigung durch Frieden
oder Untergang durch Krieg ... Entscheidet für den
friedlichen Ausweg!"
So
waren Ende 1938 Konrad Henlein und die Sudetendeutsche Partei
am Zuge - und Adolf Hitler mit seinen Nationalsozialisten.
Am 22.
September macht die Tschechoslowakei mobil. 1 1/2 Millionen
Soldaten standen unter Waffen. 5 Tage später werden in den
Sudetengebieten die Rundfunkempfänger beschlagnahmt, 20000
Sudetendeutsche als Geiseln genommen, über 200 Brücken
zerstört, Eisenbahnstrecken unbefahrbar gemacht, Tunnel
gesprengt ... Am 29. September wird das Münchner Abkommen
vereinbart.
Am
30. Oktober verfügt Hitler die Schaffung des Reichsgaues
Sudetenland mit Sitz der Gauleitung in Reichenberg und der
Angliederung der südlichen Gebiete Böhmens und Mährens an
die Gaue Bayerische Ostmark, Oberdonau und Niederdonau und des
Hultschiner Ländchens an den Gau Schlesien. Konrad Henlein
wird Gauleiter des Sudetengaues. Das Reichsgesetz vom 21.
November stellt fest: "Die heimgekehrten sudetendeutschen
Gebiete sind Bestandteil des Deutschen Reiches." Am
gleichen Tag stellt der internationale Ausschuβ fest, das
Münchner Abkommen sei erfüllt, da die geschuldeten
Leistungen erbracht worden seien.
Was
folgte dem Einmarsch der deutschen Truppen? Von Oktober bis
Dezember 1938 wurden 2500 Sudetendeutsche allein ins KZ Dachau
eingewiesen. Insgesamt erfolgten etwa 20000 Verhaftungen und
"Verschickungen". Ins westliche Ausland flüchteten
schätzungsweise 30000 Sudetendeutsche. So klang das Jahr 1938
nicht nur im Jubel aus; Nachdenklichkeit und Ernüchterung
folgten. Im März 1939 besetzte Hitler Böhmen und Mähren,
raubte damit dem tschechischen Volk die Freiheit und
Eigenständigkeit unter Verletzung des
Selbstbestimmungsgesetzes, auf das er sich für die
Sudetendeutschen berufen hatte. Er schuf das "Protektorat
Böhmen und Mähren".
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